DER CLUB
WAC-Magazin Heft 5/1952
Der neue Volkswagen
DER NEUE VOLKSWAGEN
In allen Absatzgebieten des Volkswagens kam am 13. Oktober die neue Ausführung des VW-Personenwagens auf den Markt. In nur wenigen Tagen erfolgte die Umstellung, von deren Umfang die Tatsache einen Begriff vermittelt, daß für die Verbesserungen am neuen Wagen rund 500 neue Einzelteile notwendig wurden.
Von der Konzeption des für den Alltagsgebrauch bestimmten Personenwagens der 1-Liter-Klasse wird man nicht abgehen, man intensiviert dagegen ständig die Produktion (heute 550 Wagen pro Tag), setzt alles daran, dem Wagen jene Verbesserungen und Neuerungen zuteil werden zu lassen, die notwendig oder wirklich wünschenswert erscheinen.
Mit einer Sättigung des innerdeutschen Marktes ist jedoch noch keineswegs zu rechnen. Einige recht interessante Zahlen: 17000 Mann Beschäftigte, davon 3000 im letzten halben Jahr eingestellt; elektrischer Energieverbrauch des Werkes: 1950 = 58, 1951 = 70 und jetzt 95 Mill. kWh. Um 1000 Wagen im Jahr zu bauen, wurden 1946 744 Mann benötigt, im laufenden Jahr noch 120 Mann. In der gleichen Zeit stieg der Umsatz pro Mann und Jahr von 6850. Reichsmark im Jahre 1946 auf 39554 D-Mark im Jahre 1952.
Der VW-Anteil am deutschen PW-Markt beträgt jetzt etwa 39 % und in seiner Klasse sogar 47,3 %; bei Lieferwagen 13,3 % insgesamt und 37,2 % in seinem Wettbewerbsbereich. VW-Anteil am deutschen Personenwagenbestand: 21 % .
Das Standardmodell des Personenwagens (mit einfacher Ausstattung, dem alten Getriebe und mechanischer Bremse) wird neben dem sogenannten ,,Export“-Modell, das auch in Deutschland überwiegend gekauft wird, weitergebaut. Produktionsanteile: 25 % Standard-, 75 % Exportmodell, ein seit 2 Jahren fast konstantes Verhältnis. Dank der Rationalisierung konnte für das neue Exportmodell eine sonst durch die Verbesserungen notwendig gewordene Preiserhöhung um rund 1000 D-Mark aufgefangen werden, so daß sie nicht zu erfolgen braucht.
Das Volkswagenwerk hat keinen Besitzer und kein Kapital; es untersteht der Aufsicht von Behörden der Bundesrepublik und des Landes Niedersachsen.
Die Verbesserungen am Export-Modell: Der serienmäßige Einbau eines synchronisierten Getriebes bei den Exportmodellen des VW beseitigt einen Mangel, der beim Vergleich des VW mit anderen Fahrzeugen, sogar der billigeren Preisklasse, nicht ersehen werden konnte. Der VW hat zwar den Beweis erbracht, daß er sich wohl auch weiterhin noch mit dem gradverzahnten Schubradgetriebe durchsetzen könnte; doch paßt das ursprüngliche Getriebe schon lange nicht mehr ins verfeinerte Konzept dieses Fahrzeugtyps. Die allgemeine Verbreitung der synchronisierten Getriebe im Fahrzeugbau läßt mit Sicherheit voraussagen, daß auch der VW – ohne deswegen seinen Charakter ändern zu müssen – nur Vorteile aus der Neuerung ziehen wird. Das synchronisierte Getriebe macht es nun allen VW-Fahrern möglich, ohne Übung rascher, geräuschloser und selbst bei hohen Geschwindigkeiten ohne zweimaliges Kuppeln oder Zwischengas geben zu schalten.
Beim neuen VW-Synchrongetriebe sind die oberen drei Gänge mit Gleichlaufvorrichtungen versehen. Die Zahnradpaare dieser Gänge stehen dauernd im Eingriff. Da sie schrägverzahnt sind, laufen sie mit oder ohne Belastung immer geräuscharm. Das Schalten erfolgt nicht mehr wie früher durch Verschieben der Zahnräder, sondern durch Zusammenkuppeln von Klauen. Die Gleichlaufvorrichtung bringt die Klauen vor dem Eingriff auf annähernd gleiche Drehzahl. Weil nicht mehr Zahnräder sondern nur noch synchronisierte Klauen mit dem Schalthebel in Eingriff gebracht werden müssen, kann man schneller und fast geräuschlos schalten. Beim Zurückschalten in den ersten Gang ist noch Zwischengas notwendig, dagegen spielt die Synchronisierung jeweils beim Anfahren, wenn man vom ersten in den zweiten Gang schaltet.
Im Vergleich zum früheren VW Getriebe ist beim synchronisierten Getriebe der Abstand zwischen dem ersten und dem zweiten Gang etwas größer. Die leicht veränderten Untersetzungsverhältnisse des zweiten und dritten Ganges tragen dazu bei, den Einfluß des kleineren Rollradius der 5.60-15-Zollreifen auf das Gesamtuntersetzungsverhältnis auszugleichen. Eine wesentliche Änderung der Fahrleistung in den einzelnen Gängen ist gegenüber den früheren Modellen nicht zu erwarten. Im ersten Gang dürfte der VW, wegen der kleineren Räder, besser beschleunigen; im zweiten Gang wird die Spitze etwas schneller sein, und im vierten (Schnellgang) wird er sich etwas elastischer erweisen. Die Hinterachsuntersetzung von 4,43:l wurde nicht verändert. Auch das neue Getriebe wird wie bisher mit einem kurzen Schalthebel bedient. Beschleunigung und Federung: Mit dem neuen Getriebe wurden über ein Dutzend Neuerungen von großem praktischem Wert in die Serienherstellung übernommen. Der frühere Solex-Fallstromvergaser 26 VFJS ist durch einen Solex vom Baumuster 28 PCI ersetzt, der einen etwas größeren Innendurchmesser aufweist und mit einer Beschleunigungspumpe versehen ist. Diese spritzt beim raschen Durchtreten des Gaspedals eine genau dosierte Menge Benzin direkt ins Ansaugrohr. Dadurch werden Aussetzer beim Beschleunigen ohne spürbaren Mehrverbrauch vermieden. Dem allgemeinen Zug zum kleinen Rad entsprechend, besitzt nun auch der VVI/-Reifen der Dimension 5.60-15 an Stelle der früheren 5.00-16-Pneus. Die breiteren und voluminöseren Pneus tragen zu einer weicheren, geräuschloseren Fahrweise bei. Die Torsionsstababfederung wird durch neue hydraulische Teleskopstoßdämpfer mit längerem Hub – und entsprechend neuer Befestigung – verfeinert. Wichtige Neuerungen am Armaturenbrett: Das Armaturenbrett weist gegenüber den früheren Typen eine neue Einteilung auf. Vor dem Fahrer, unmittelbar über der Lenksäule, sind der Geschwindigkeitsmesser mit dem Kilometerzähler sowie die Kontrollichter für Öldruck, Dynamo, Winker und Abblendung in einem runden Gehäuse zusammengefaßt. In der Mitte des Brettes ist, ein beträchtlicher Raum für den Einbau eines Radios samt Lautsprecher und Bedienung reserviert. Rechts außen befindet sich der schließbare Handschuhkasten. Der Anlasserknopf ist aus seinem Versteck hervorgeholt und als Druckknopf links von der Lenksäule im Armaturenbrett eingelassen. Die übrigen Bedienungshebel und das Zündschloß sind auf den unteren Rand der Tafel konzentriert. Der Winkerschalter hingegen wurde vom Armaturenbrett entfernt und modegerecht links unter dem Lenkrad als zierlicher Hebel angeordnet. Lüftung, Heizung und Bequemlichkeiten: Die längst erwarteten Schwenkfenster in den Vordertürrahmen sind nun in einer soliden serienmäßigen Ausführung mit reichlicher Gummiabdichtung montiert. Dagegen hat man die unteren Lüftungsklappen in der Karosserie wieder entfernt. Mit den Schwenkfenstern kann man, je nach ihrer Stellung, aus dem Wagen Luft wegsaugen oder Frischluft direkt hineinblasen. Die Heizung wurde durch einen Drehknopf besser regulierbar gemacht. Ihre Anlage mit dem eingebauten Schalldämpfer ist unverändert. In der Geräuschisolierung sollen durch eine neuartige Motoraufhängung weitere Fortschritte erzielt worden sein. An Bequemlichkeiten für Fahrer und Passagiere ist die Innenbeleuchtung links über dem Fahrersitz als Leselampe, zu erwähnen. Sie wird beim Öffnen der Türe automatisch eingeschaltet. Fensterkurbeln sind leichtgängiger. An der Türe rechts ist eine Armlehne montiert: links ist eine praktische Türtasche angebracht. Außer einem im Armaturenbrett kippbar eingelassenen Aschenbecher sind noch zwei weitere im Fond des Wagens angeschlagen. Die hinteren Sitze fallen durch eine geänderte Form auf; ihre Lehnen sind höher, und die Ecken sind voller gepolstert.
Äußerlich wenig verändert: Die Karosserieform ist – zum Troste vieler – unverändert geblieben. Die sparsame Chromzierde, die etwas kleineren Räder und die verstärkten Stoßstangen mit den größeren Hörnern geben dem Fahrzeug auch nach außen hin einen massiven, wertbeständigen Ausdruck.