MOBILITÄT

Der Erste seiner Art

Eigentlich konnte es diesen 911 nicht geben. Motor, Baujahr, Heckflügel – nichts passte zusammen. Dabei war er nur der Zeit voraus. Genau wie sein erster Besitzer: Prof. Dr.-Ing. Ernst Fuhrmann.

Manchmal braucht es einfach etwas Glück und den gewissen Riecher. Der schwarze 911, der Porsche-Kenner und -Händler Walter Hoffmann 2008 über den Weg lief, sah zunächst nicht nach etwas Besonderem aus, von der mutigen Farbkombi mit der zitronengelben Lederausstattung einmal abgesehen. Er war auch kein Fund der Sorte „gesehen, gekauft, mitgenommen“. Tatsächlich zogen sich die Verhandlungen mit dem Vorbesitzer wie Kaugummi, denn irgendetwas schien mit dem 1974 erstmals zugelassenen Coupé nicht zu stimmen: ein 3,0-Liter-Motor, der untypischerweise auch noch 190 PS besaß, der Turbo-Flügel – das waren alles Zutaten, die erst später die Elfer-Baureihe bereichern sollten. Der Verdacht stand im Raum, dass es sich bei dem Exemplar um eine Bastelbude handeln könnte. Gut erhalten zwar, nur nicht mehr originalgetreu. Aber egal: Hoffmann wusste in seiner Garage daheim in Hermeskeil noch einen 2,7-Liter-Motor, der gut zu diesem Auto passen würde. So kam der Deal schließlich zustande.

Doch mit seinem Spürsinn witterte der Porsche-Spezialist, dass sich mehr hinter der Geschichte versteckt. Er nahm Ermittlungen auf. Und stieß bald auf eine heiße Spur – mit Amtshilfe von Porsche: Die „Geburtsurkunde“des Autos bestätigte, dass dieser 911 Carrera 2.7 die Produktionshallen in Zuffenhausen 1974 tatsächlich so verlassen hatte wie vorgefunden. Zugleich gab sie einen weiteren Tipp: als „Eigenbedarfsfahrzeug der Porsche AG“, ausgestattet mit einem Dreiliter-Versuchsmotor. Jetzt war die Neugier endgültig geweckt. Sie sollte interessante Details ans Tageslicht fördern …

Tatsächlich handelt es sich bei dem schwarzen Elfer um ein Unikat: Er trägt bereits jenen Sechszylinder-Boxer, den Porsche 1975 mit dem 911 Carrera 3.0 vorgestellt hat – dann sogar mit 200 PS. Damit war er fast so stark wie der legendäre Carrera RS 2.7, besaß aber bereits die verbrauchssenkende Bosch K-Jetronic anstelle einer Saugrohreinspritzung. Immerhin musste sich die Welt noch von der Ölkrise erholen. Zugleich lieferte der Motor die Basis für den Urahn des 911 Turbo, der ebenfalls 1975 auf den Markt kam und mit jenem Heckflügel für Aufsehen sorgte, der bereits den Testwagen schmückte. Damit hat Walter Hoffmanns Neuerwerbung ihren Platz in der 55-jährigen Historie der ikonischen Sportwagen- Baureihe sicher.

Anstelle des 2,7 Liter großen Boxers lässt sich der schwarze 911 von einem Dreiliter-Sechszylinder antreiben – worauf auch das fünfflügelige Lüfterrad auf den ersten Blick verweist. Neu ist auch die K-Jetronic anstelle der Saugrohreinspritzung

Doch es kam noch besser.

Wie seinerzeit üblich, traten Erprobungsfahrzeuge oftmals eine zweite Karriere als Dienstwagen an. So auch in diesem Fall: Von Juli 1974 bis Januar 1976 stand der schwarze 911 Prof. Dr.-Ing. Ernst Fuhrmann zur Verfügung – dem ersten Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG, in die der Sportwagenhersteller im August 1972 umgewandelt worden war, und zugleich Vater des berühmten Fuhrmann-Viernockenwellen-Motors. Damit beginnt an dieser Stelle eine ganz neue Geschichte.

Fuhrmann zählte bei Porsche zu den Männern der ersten Stunde: Der gebürtige Wiener stieß bereits 1947 zum Konstruktionsbüro, als dieses noch ins kärntnerische Gmünd ausgesiedelt war. Gemeinsam mit Ferry Porsche arbeitete der junge Ingenieur an zahlreichen Projekten, darunter auch dem Cisitalia 360-Rennwagen – einem 718 Kilo leichten Grand-Prix-Monoposto, den der schillernde italienische Unternehmer und Privatfahrer Piero Dusio bei Porsche bestellt hatte, mit 1,5 Liter großem Zwölfzylinder-Mittelmotor und zwei Kompressoren sowie zuschaltbarem Allradantrieb (!).

Zurück mit Porsche in Stuttgart, blieb Fuhrmann den Boxermotoren treu. 1950 – das Jahr, in dem er auch seine Frau Elfriede heiratete – erwarb er seinen Doktortitel des Maschinenbaus. Thema seiner Promotion: „Ventiltriebe bei schnelllaufenden Verbrennungsmotoren“. Damit stand der Kurs fest: 1951 gab ihm Ferry Porsche den Auftrag, eine Hochleistungsversion jenes Vierzylinders zu entwickeln, den die neue 356-Baureihe noch vom VW Käfer übernommen hatte. Heraus kam der berühmte Königswellenmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderbank, der sich durch zahlreiche technische Besonderheiten auszeichnete, von der Doppelzündung bis hin zur Trockensumpfschmierung. Letztere gilt bis heute als Merkmal der Sportwagen der Marke.

Mit seinem „Entenbürzel“ hatte der 911 Carrera RS 2.7 kurz zuvor den Heckspoiler erfunden. Die elegantere Version schmückte erstmals den 911 Turbo von 1975. Der schwarze Elfer trug sie schon einmal zur Probe

Der fortan „Fuhrmann-Motor“genannte 1,5-Liter-Boxer prägte das Bild von Porsche in den 1950er-Jahren. Der komplexe Aluminium-Vierzylinder ermöglichte bis zu 8.000 Touren, seinerzeit astronomisch klingende Drehzahlen. Er trieb die 356 Carrera-Modelle ebenso an wie den 550 Spyder und zahlreiche Rennwagen, die mit dem anfänglich 110, später im 804 Formel-1-Auto sogar bis zu 190 PS starken Aggregat von einem Sieg zum nächsten eilten. Bis heute genießen „Fuhrmann-Motoren“, von denen knapp 1.700 Exemplare gebaut wurden, den Ruf feinster Präzisionsmechanik. Nur wenige Experten auf der Welt können den komplizierten Ventiltrieb mit seinen trickreich über Winkelgetriebe verbundenen Nockenwellen noch exakt einstellen.

Einzigartig: Der 911 von Walter Hoffmann besaß schon 1974 viele Elemente, die erst später in Serie gingen – etwa der Frontspoiler, die Waschdüsen für die Scheinwerfer oder die Nebellichter. Speziell auch: die Antenne für das B-Netz-Autotelefon

Fuhrmanns Ehrgeiz als Ingenieur und Leiter des Motorenversuchs war damit nicht gestillt. Wollte ihm das Unternehmen bestimmte Komponenten für seine Arbeit nicht bezahlen, konnte es passieren, dass er sie sich auf eigene Kosten besorgte. Doch als 1956 die Position des Technischen Direktors neu besetzt wurde, kam er nicht zum Zuge. Enttäuscht verließ er das Unternehmen und wechselte zum Motorenteilehersteller Goetze, dessen Chef – selbst passionierter Fahrer eines 356 Carrera – ihm schon nach kurzer Zeit die technische Entwicklung anvertraute. 1962 zog Fuhrmann in den Vorstand ein.

Auch in Zuffenhausen lief die Zeit weiter. Nach Ferry Porsche machte sich die Enkelgeneration von Professor Porsche bereit, bei der Sportwagenmarke Aufgaben zu übernehmen – vor allem der junge Ferdinand Piëch, der unter anderem das ebenso erfolgreiche wie teure 917-Le- Mans-Projekt initiiert hatte. Der Rest ist Geschichte – an deren Ende alle Mitglieder der Familien Porsche und Piëch die operative Leitung der Firma hinter sich ließen und Porsche zu einer Aktiengesellschaft machten. Ferry Porsche übernahm den Aufsichtsratsvorsitz.

In Gmünd haben sie bereits gemeinsam an Projekten gearbeitet, später stieg er zum ersten Chef der Porsche AG auf: Motorenkonstrukteur Ernst Fuhrmann (rechts) mit Ferry Porsche

Damit war für Ernst Fuhrmann als ersten externen Manager der Weg an die Spitze von Porsche frei – zunächst als Sprecher des Vorstands, ab November 1976 als Vorstandsvorsitzender. Er übernahm den Sportwagenbauer in schwierigen Zeiten, wozu nicht nur die Ölkrise ihren Teil beitrug. Er trieb die Entwicklung der Transaxle-Modelle 924 und 928 voran, was ihm den Vorwurf einbrachte, die 911-Baureihe beerdigen zu wollen. Dabei war es Fuhrmann, der trotz kritischer Stimmen den 911 Carrera RS 2.7 durchdrückte und die Entwicklung des 911 Turbo vorantrieb – des ersten Supersportwagens der Marke. Mit 3,0-Liter-Boxermotor und elegantem Heckflügel. So, wie es Porsche beim schwarzen Elfer von Walter Hoffmann vorgemacht hatte. Es braucht eben manchmal einfach den richtigen Riecher.

Porsche 911 2.7/3.0 (1974)

Technische Daten

Motor Sechszylinder-Boxer, luftgekühlt
Antrieb man. Fünfganggetriebe, Heckantrieb
Hubraum 2.956 cm3
Gemischaufbereitung K-Jetronic (Bosch)
Maximale Leistung 190 PS bei 6.100/min
Höchstgeschwindigkeit 240 km/h
Leergewicht 1.075 kg

Text erstmalig erschienen im Magazin
„Porsche Klassik“, Sonderausgabe „8 Generationen 911“

Text:
Achim Peitzmeier  

Fotos:
Theodor Barth

Wir danken unserem Kompetenzpartner Porsche für den bereitgestellten Content.

Mehr Informationen unter: www.porsche.com