CLASSICS
DIE CHEFKUTSCHE
Aston Martin DB3S
Dieser extrem seltene und besondere Aston Martin gehörte einst dem Firmenchef David Brown. Und wie Stephen Archer feststellt, kann man ein Auto von seiner Vergangenheit trennen, aber nicht die Vergangenheit von einem Auto.
Wenn es um Autos geht, die durch ihre Historie definiert werden, ist dieser DB3S ein Topkandidat. Er hat eine buchstäblich bunte Historie, wie wir sehen werden. Doch wer die Geschichte eines seltenen, ja sogar esoterischen Aston erwartet – eine Fußnote in der Modellgeschichte der Marke unter David Brown –, der verkennt die Bedeutung dieses Wagens. Denn eines steht fest: Ohne den DB3S hätte Aston Martin 1959 mit dem DBR1 nicht seinen einzigen Sieg in Le Mans errungen.
Und obwohl die meisten Menschen die Rennerfolge von Aston Martin mit dem DBR1 in Verbindung bringen, hatte der bemerkenswerte DB3S eine fünfjährige Werksrennkarriere. Er blieb sechs Jahre lang in der internationalen Sportwagenrennszene konkurrenzfähig und gewann dabei für David Brown mehr Pokale als jedes andere von ihm gebaute Auto.
Als der DB3S 1953 auf der Bildfläche erschien, ging er bei allen Renneinsätzen als Sieger hervor. Das nächste Jahr verlief weniger erfolgreich, doch 1955 kehrte er auf die Erfolgsspur zurück: Er entschied fünf von elf Rennen für sich und erreichte in drei Rennen Podiumsplätze.
Seinen Abgang von der Motorsportbühne hatte das Werk eigentlich für 1956 geplant – in jenem Jahr erzielte er fast die gleichen Ergebnisse wie 1955 –, doch 1957 standen Roy Salvadori und Tony Brooks bei zwei letzten Einsätzen noch einmal auf dem Treppchen. In Privatbesitz belegte der DB3S/6 1958 den zweiten Platz in Le Mans; es war das dritte Mal, dass ein DB3S dort diese Platzierung errang.
Im Gegensatz zum relativ weit verbreiteten Jaguar D-Type und den zahlreichen Ferrari entstanden vom DB3S lediglich zehn Werksfahrzeuge (Chassisnummern DB3S/1 bis DB3S/10), die zwischen 1953 und 1956 alle zum Einsatz kamen; ein elftes Fahrzeug wurde produziert, aber nicht als Werksteamwagen betrachtet. Für Kunden und Gentleman-Fahrer produzierte Aston weitere 20 Fahrzeuge, von denen viele ebenfalls bei Rennen eingesetzt wurden. Das hier abgebildete Auto, DB3S/120, hat die letzte Fahr- gestellnummer und sein Besitzer war kein Geringerer als Aston-Martin-Chef David Brown.
Die Ursprünge des DB3S lassen sich bis in die Vorkriegszeit zurück verfolgen und sind mit vielen anderen bedeutenden Autos verknüpft. Nur sehr wenige Autos entstanden damals ohne eine gewisse Vorgeschichte und dieses ist keine Ausnahme. Das Fahrgestell ist vom schwereren und langsameren DB3 von 1952 abgeleitet, der vom österreichischen Ingenieur Robert Eberan-Eberhorst entworfen wurde. Dieser war nach dem Ausscheiden von Ferdinand Porsche bei Auto Union 1938 maßgeblich an der Konstruktion des Auto-Union-Rennwagens Typ D beteiligt gewesen.
Dort hatte er die an Längslenkern und Panhardstab geführte De-Dion-Hinterachse entwickelt, die auf der Rennstrecke große Erfolge feierte. Während des Krieges war er an der Konstruktion des Panzerkampfwagens VI Tiger beteiligt, der über eine Aufhängung mit Längslenkern und Drehstäben verfügte.
Nach Kriegsende war er in die Entwicklung des Cisitalia 360, auch Porsche-Cisitalia genannt, involviert, bevor er 1949 nach England ging und als Chefingenieur Fahrgestelle für English Racing Automobiles (ERA) entwickelte. Später kam er zu Aston Martin mit dem Auftrag, einen siegfähigen Rennwagen zu entwickeln.
Das einfache Chassis des DB3 hatte viele Gemeinsamkeiten mit dem Auto Union, aber sein Gewicht wirkte sich nachteilig aus, so dass er nicht so erfolgreich war, wie Brown gehofft hatte. Auf dem Papier war es ein fortschrittliches Auto, aber es fehlte ihm an Tempo – und an Stil. 1953 ging Eberan-Eberhorst nach Deutschland zurück, um sich anderen Aufgaben zu widmen.
Text: Stephen Archer // Fotos: Tim Scott // Bearbeitung: Christel Flexney