CLASSICS

Ein Mercedes-Benz
muss aussehen wie ein
Mercedes-Benz

Mercedes-Benz c126

Das Erscheinungsbild der Marke.

Der Morgen ist klar und kühl. Es ist kurz vor neun Uhr. Bruno Sacco wartet schon vor der Tür seines Wohnhauses in Sindelfingen auf das Eintreffen des Fotografen und des Autors. Er freut sich auf etwas, das er bislang noch nie gemacht hat: „Mit mir im Grunde fremden Personen eine zweitägige Ausfahrt unternehmen.“ 

Der gebürtige Italiener, von 1975 bis 1999 erst als Chefstilist, später als Chefdesigner von Mercedes-Benz verantwortlich für das Erscheinungsbild der Marke, war berühmt dafür, dass er verchromte Opulenz durch gradlinige Leichtbauweise und aerodynamische Effizienz ersetzte. 

Bruno Sacco wohnt sehr ruhig am Stadtrand Sindelfingens, nicht weit von Stuttgart entfernt. Eine Katze mit schwarz-weißer Fellmusterung streift durch den Garten mit viel Gras, einigen Büschen und Bäumen. Gleich hinter dem Grundstück mit Terrasse und Sonnenschirm beginnt ein Wald.  

Die Autos aus seiner Ära.

Der Plan für die kommenden zwei Tage: einige Orte seiner Wahl besuchen, durch Süddeutschland und ein Stück durch die Schweiz fahren, inklusive einer  Übernachtung. Irgendwo dort, wo es sich ergibt. Unterwegs will Bruno Sacco uns seine Top 3 verraten – die Autos aus seiner Ära als Design-Verantwortlicher bei Mercedes-Benz, die das schönste Heck, die gelungenste Front und die für ihn perfekte Seitenlinie haben. „Das ist kein Problem“, antwortete der Maestro. Er selbst hat dann die Streckenplanung gemacht. Vor allem zwei große Flüsse möchte er sehen, die Donau und den Rhein. Und er fährt selbst, mit seinem eigenen Auto.

Es parkt in der Garage mit zwei Stellplätzen neben seinem Haus. Mit einem 560 SEC (C 126), Baujahr 1989, steht darin noch sein E-Klasse Coupé, Baujahr 2019. Beide mit dunkelblauer Lackierung. Somit wäre also schon mal die Frage geklärt, welche Lieblingsfarbe der 86-Jährige hat. Er nickt. Die Farbe Blau assoziiere er mit „Himmel, Weite, schönem Wetter, mit Urlaub und Ausspannen“. Natürlich auch mit Italien, wo er mit seinen Eltern (der Vater war Offizier, die Mutter Hausfrau) aufwuchs und zur Schule ging. 

Warum fährt er gerade diese beiden sportlich-eleganten Coupés? 

„Coupés sind für mich oft einfach so etwas wie die Filets der Modellreihen. Ja, ich mag Coupés sehr, denn sonst würde ich ja keine besitzen.“ 

Los geht’s mit dem C 126. Der charismatische Deutsch-Italiener, der das „R“ so wunderschön rollt, hat für die Ausfahrt seinen 560 SEC extra von der Werkstatt seines Vertrauens checken lassen. „Der Wagen ist immerhin schon 30 Jahre alt“, sagt Sacco. Doch der Werkstattmeister versicherte ihm, er könne mit seinem Lieblingsauto völlig ohne Probleme sogar bis hinunter nach Palermo auf Sizilien fahren.

Stolz, Herr Sacco? „Ein bisschen schon.“

„Unser erstes Ziel ist die gut 100 Kilometer entfernte Stadt Donaueschingen, wo einer der wichtigsten und längsten Flüsse Europas entspringt, die Donau“, sagt Bruno Sacco, als er den ruhig dahingleitenden C 126 nach ein paar Kilometern Stadtfahrt auf die Autobahn lenkt. Geschwindigkeitsbegrenzung 120 km/h. Er hält sich strikt daran. Früher habe er oft, „natürlich nur bei freier Fahrt“, Tempo 250 „genossen“, erzählt er. Doch seit dem 80. Geburtstag fahre er nur noch ganz entspannt.

„Autofahren bedeutet für mich die absolute Freiheit.“

„Autofahren bedeutet für mich die absolute Freiheit“, sagt der Mann, der einer der wichtigsten Designer der Automobilgeschichte ist.

Den Rekord­wagen C 111-III verantwortete er, die S-Klassen der Baureihen 126, 140 und 220, den „Baby-Benz“ (W 201), den zeitlos-schönen Roadster der Baureihe 129, auch die A-Klasse – über deren weltweite Beliebtheit sich Sacco freut – und den SLK, den er schmunzelnd das „Gute-Laune-Auto“ nennt. Sacco wurde berufen in die European Automotive Hall of Fame und in die Auto­motive Hall of Fame, Dearborn, USA, zudem ist er Ehren­doktor der Universität Udine, Italien.

Eine Expertenjury kürte ihn vor 20 Jahren gar zu einem der fünf wichtigsten Automobildesigner des vergangenen Jahr­hunderts – neben so klangvollen Namen wie Giugiaro, Bertone, Bugatti oder Pininfarina. Stolz, Herr Sacco? Er nimmt sich einige Sekunden Bedenkzeit. „Nicht zu sehr. Ein bisschen schon.“

Was war seine schönste Dienstfahrt, die er je unternommen hat? Bruno Sacco setzt nach einem Überholmanöver den Blinker und wechselt auf die rechte Fahrbahn. Die Erinnerung an längst vergangene Zeiten zaubert ein Lächeln in sein Gesicht. „An eine Dienstfahrt erinnere ich mich tatsächlich besonders gerne. Ich fuhr mit einem sehr gelungenen Auto, dem Evo II, von Mailand nach Genua. Das letzte Teilstück durch die Berge mit Blick aufs Mittelmeer, das war fantastisch.“ Ein anderes Mal durchquerte er auf mehreren Tagesetappen die USA von der West- zur Ostküste mit einer S-Klasse Limousine. Auch das „ein unvergessliches Abenteuer mit dem idealen Untersatz.“ Doch warum besuchen wir nun eigentlich die Donaumündung in Donau­eschingen? „Ich habe gute Erinnerungen an diesen Ort“, antwortet Bruno Sacco, mittlerweile an der Absperrung oberhalb der Quelle stehend. „Der fast 3.000 Kilometer lange Fluss, der zweitlängste Europas und somit ein wichtiger Handelsweg, der von hier aus durch zehn Länder ins Schwarze Meer fließt, fasziniert mich einfach. Alles in Bewegung, kein Stillstand. Das finde ich gut.“ 

Herausragendes Auto­mobildesign.

Das erste Mal sei er im Jahr 1958 hier gewesen. Damals, als Paul Bracq und Karl Wilfert seine Kollegen wurden, war er gerade von Italien nach Deutschland gezogen, um seinen Job in der Stilistikabteilung von Daimler-Benz anzutreten. 

Erstmals aufmerksam auf herausragendes Auto­mobildesign wurde Sacco, der sich als Kind und Jugendlicher gar nicht sonderlich für Autos interessierte, erst kurz zuvor, erzählt er: „Ich sah einen Ghia Gilda. Eine Sensation, dieser Wagen.“ War der Anblick sein Schlüsselerlebnis? „Vielleicht“, erwidert Bruno Sacco. „Es gab damals ja auch schon diese Schönheit 300 SL. Ich besaß sogar mal einen Mitte der 1960er-Jahre. Den mit der Fahrgestellnummer 0001. Ja, das schnörkellos-sportliche Design dieser rol­lenden Kunstwerke sprach mich an. Sie beförderten mich auf den Weg, das zu machen, was ich mein ganzes Arbeitsleben lang tat. Obwohl meine Eltern sich immer wünschten – auch noch, als ich längst in verantwortlicher Position in der Stilistik- und Designabteilung war –, dass ich irgendwie doch noch die Ingenieurslaufbahn einschlagen würde.“ 

Text: Jörg Heuer | Fotos: Alexander Babic

Wir danken unserem Kompetenzpartner Mercedes-Benz für den bereitgestellten Content.

Mehr Informationen unter: www.mercedes-benz.com