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„Eine sehr deutsche Diskussion“
Porsche setzt auf Nachhaltigkeit. Was Vorstandschef Oliver Blume über röhrende Motoren, SUV-Vorlieben in anderen Ländern und das Einkaufen ohne Plastiktüten denkt, erzählt er im Interview.
Herr Blume, alle reden über Klimaschutz. Haben Sie Ihr Verhalten dadurch verändert?
Oliver Blume: Ja, die größere Aufmerksamkeit für den Klimawandel in den letzten Monaten hat dazu geführt, mein eigenes Verhalten zu überprüfen und anzupassen. Selbst wenn es kleinere Dinge sind: Ich nutze zum Beispiel häufig öffentliche Verkehrsmittel. Und ich versuche, auf Plastiktüten zu verzichten, und bringe beim Einkaufen meine eigenen Taschen mit. Zudem kompensiere ich CO2 bei Flügen. Es gibt immer Möglichkeiten, sich zu verbessern – beim eigenen Verhalten fängt es an.
Glauben Sie, dass viele Porsche-Kunden so ticken wie Sie, oder wollen die immer noch den röhrenden Motor?
Vielen Kunden gefällt beides, so wie mir auch. Die drei wichtigsten Gründe für den Kauf eines Porsche sind die Marke, das Produkt und das Design. Nach der Vorstellung unseres ersten Elektromodells Taycan haben sich viele Kunden gemeldet und gesagt: Genau dieses Auto suche ich. Als Porschefahrer will man Trendsetter sein, die neuesten technologischen Möglichkeiten nutzen. Und mit dem Taycan kann man sportlich und zugleich CO2-frei fahren, sozusagen mit gutem ökologischen Gewissen. Wir sind ein Pionier für nachhaltige Mobilität, verbinden den Sportwagen mit Nachhaltigkeit.
Ein Porsche muss also nicht röhren?
Manche sagen Nein, andere sagen: auf jeden Fall! Wir bieten dem Kunden beide Fahrgefühle. Deshalb optimieren wir auch die Emissionen unserer Benzinantriebe kontinuierlich weiter. In meiner Generation lieben viele den Sound. Wir haben gelernt, dass er mit Beschleunigung und Fahrdynamik gleichzusetzen ist. In der Realität hat der Sound nichts mit den Fahreigenschaften zu tun. Meine Kinder werden in Zukunft einen röhrenden Motor nicht mehr damit verbinden, wie leistungsstark ein Fahrzeug ist. Sie setzen eher auf ein innovatives, digitales Auto – wie den Taycan.
Das klingt alles, als würde sich Porsche demnächst den Forderungen von Fridays for Future anschließen.
Ich finde es erst mal positiv, dass die Klimadiskussion noch mehr an Bedeutung gewonnen hat. Das gibt uns auch immer wieder neue Impulse, unsere eigene Strategie zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Wir setzen dabei auf eine flexible Antriebsstrategie: emotionale Verbrenner wie den 911, starke Hybride wie beim Cayenne und Panamera und innovative E-Mobile wie den Taycan. Alles, was wir machen, ist typisch Porsche, wird aus dem Motorsport abgeleitet und immer nachhaltiger.
Einige in der Autobranche warnen aber auch, dass das Tempo, das gerade beim Klimaschutz gefordert wird, die Industrie überfordert.
Wichtig ist, die richtige Balance zu finden. Umfassende Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen. Unternehmen tragen Verantwortung für Mitarbeiter, Arbeitsplätze und für wirtschaftliche Erfolge, die dann wieder über Steuern zahlreiche nachhaltige Maßnahmen möglich machen. Aus ökologischer Perspektive kann es nicht schnell genug gehen, gleichzeitig muss man dabei auch das Machbare berücksichtigen. Wir als Industrie stehen gemeinsam in der Pflicht zu zeigen, was technologisch möglich ist und wo es Grenzen gibt. Das ist wie im Sport: Wenn ich die Latte zu hoch lege, dann springt am Ende keiner mehr.
Sie wollen in Zukunft nicht nur Elektroautos verkaufen, sondern auch klimaneutral produzieren. Wie soll das gehen?
Indem wir ein klares, langfristiges Ziel haben. Porsche soll eine Zero-Impact-Company werden. Also ein Unternehmen ohne ökologischen Fußabdruck. Wichtig auf diesem Weg sind messbare Etappenziele. Beispielsweise nutzen seit drei Jahren alle deutschen Porsche-Betriebsstätten zu 100 Prozent Naturstrom. Und in der Produktion haben wir den CO2-Ausstoß pro Fahrzeug in den vergangenen fünf Jahren um 75 Prozent gesenkt. Zudem stellen wir klare Regeln für unsere Zulieferer auf. Und wir lassen uns von einem Nachhaltigkeitsbeirat mit renommierten Experten beraten. Wir haben erste positive Schritte gesetzt. Gleichzeitig liegt noch viel Arbeit vor uns.
Aber trotzdem verkaufen Sie weiter Autos mit Verbrennungsmotoren, die das Klima belasten. Wie kompensieren Sie das?
Wir haben einen ganz klaren Grundsatz bei Porsche, wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen: Zuerst geht es ums Vermeiden, dann ums Reduzieren und erst an dritter Stelle ums Kompensieren. In unserer CO2-neutralen Fabrik in Zuffenhausen haben wir in erster Linie Belastungen vermieden. Bei Verbrennungsantrieben reduzieren wir mit jeder Generation die Emissionen. Kompensationen kommen erst danach zum Tragen: Wir haben zum Beispiel ein Programm mit dem Namen „Porsche Impact“ gestartet, bei dem unsere Kunden den ökologischen Fußabdruck ihres Autos neutralisieren können.
Ist die Batterie als Energiespeicher tatsächlich die Lösung? Oder wäre die
Wasserstoff-Brennstoffzelle nicht viel besser geeignet?
Die Batterie als Energiespeicher ist jedenfalls die Technologie, die heute schon marktreif ist. Zudem passt sie mit ihren hohen Beschleunigungswerten extrem gut zu Sportwagen. Und es ist die Technologie, die in der Energieeffizienz den anderen Technologien überlegen ist – im Betrieb der Fahrzeuge ist die Batterie heute ungefähr um den Faktor drei besser als die Brennstoffzelle und sechsmal so gut wie synthetische Kraftstoffe, da die eingesetzte Energie direkt übertragen wird. Wichtig für alle Antriebsarten ist der Einsatz eines möglichst hohen regenerativen Stromanteils.
Also setzen Sie ausschließlich auf Batterieautos?
Nein, nicht ausschließlich. In unserem Produktportfolio setzen wir neben Benzinern auf Elektromobilität mit Batteriespeichern. Perspektivisch befassen wir uns mit synthetischen Kraftstoffen, weil wir hier zukünftig Möglichkeiten auch für alle Bestandsfahrzeuge sehen. Allerdings sind die synthetischen Kraftstoffe noch zu teuer in der Herstellung. Die Brennstoffzelle wiederum sehen wir weniger als Option für Sportwagen, sie ist eher für schwere Fahrzeuge geeignet. Entscheidend ist es, die richtige Antriebsart für den richtigen Anwendungsfall zu entwickeln.
Der Taycan kam Jahre nach dem Tesla Model S auf den Markt und hat trotzdem eine geringere Reichweite. Müssen Sie sich Tesla geschlagen geben?
Überhaupt nicht. Ich kann nur jedem empfehlen, die Autos selbst zu testen und zu vergleichen. Ich habe großen Respekt davor, wie Tesla arbeitet und welche Innovationen sie in die Fahrzeuge bringen. Das Messergebnis bei Reichweiten hängt sehr stark davon ab, welcher Testzyklus angewendet wird. Der Taycan ist sehr sportlich ausgelegt und fährt im neuen europäischen Testzyklus WLTP rund 450 Kilometer weit. Dem amerikanischen Zyklus liegt ein sehr langsames Geschwindigkeitsprofil zugrunde – deshalb schneidet Tesla da besser ab als unsere sportliche Auslegung. Bei längeren Fahrten spielt hingegen die Ladezeit eine Rolle. Dort ist unser Taycan aufgrund seines 800-Volt-Netzes deutlich überlegen.
Wenn Geschwindigkeit die Reichweite bestimmt, was halten Sie dann von einem allgemeinen Tempolimit in Deutschland?
Wenig. Das ist eine politische Frage. So wie viele Porschefahrer und auch viele meiner Kollegen im Unternehmen sehe ich die Tempofreiheit in Deutschland als eine persönliche Freiheit an. Man sollte den Menschen diese Freiheit lassen. Ein Tempolimit wird häufig als Argument herangezogen, die Zahl der Unfälle zu reduzieren. Die Unfallhäufigkeit auf bundesdeutschen Autobahnen ist aber fünfmal geringer als auf Landstraßen. Autobahnen gehören wiederum statistisch zu den sichersten Straßen der Welt. Ich bin gegen ein Tempolimit an Stellen, an denen man sicher fahren kann, ohne andere Menschen zu gefährden.
Porsche verkauft immer mehr SUVs, die stehen auch heftig in der Kritik.
Das ist eine sehr deutsche Diskussion, die man in China oder den USA gar nicht versteht. Dort fragt man: Warum sind die SUVs aus Deutschland so klein? SUVs fahren zum Beispiel Menschen, die viel zu transportieren haben oder den Fahrkomfort mögen, die Sicherheit, in dem Fahrzeug hoch zu sitzen.
Im Klimapaket der Regierung gibt es den Vorschlag, Fahrzeuge mit besonders hohem CO2-Ausstoß wie SUVs höher zu besteuern. Eine gute Idee?
Man muss abwarten, was bei der politischen Diskussion am Ende tatsächlich herauskommt. Grundsätzlich halte ich es durchaus für sinnvoll, Anreize für umweltfreundlichere Fahrzeuge zu schaffen – zum Beispiel für Hybride und E-Mobile. Das unterstützt ja auch die Strategie, die wir bei Porsche eingeschlagen haben. Niedrigere Steuern für klimafreundliche Fahrzeuge und eine attraktive Infrastruktur sind hilfreich, höhere Steuern nicht.
Je mehr SUVs Ihre Kunden fahren, umso schwerer wird es, die CO2-Vorgaben der EU einzuhalten.
Vor fünf Jahren hätte Porsche wohl niemand zugetraut, den CO2-Flottenwert einhalten zu können. Heute stellen wir fest: Unsere strategischen Weichenstellungen führen dazu, dass wir die Vorgaben in Zukunft sogar deutlich unterschreiten werden. Porsche ist da innovativ unterwegs, wir werden es als Sportwagenhersteller aus eigener Kraft schon ab 2021 schaffen. Und zwar nachhaltig.
Info
Interview erstmals erschienen in DIE WELT, 25. Januar 2020
Das Gespräch führten Olaf Preuß und Philipp Vetter.