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Es fehlt an Transparenz

Es fehlt an Transparenz

BASF-Vorständin Saori Dubourg und Porsche-Chef Oliver Blume über Wertebilanzen, den inneren Kompass von Unternehmen und die Frage, warum Dividenden nichts mit Corona zu tun haben.

In der Coronakrise fragen sich Bürger wie Politiker, welche Verantwortung Unternehmer und Manager in diesen Zeiten tragen. Aber rechnet es sich für ein Unternehmen überhaupt, auf Gesellschaft und Umwelt Rücksicht zu nehmen? Das treibt BASF-Vorständin Saori Dubourg und Porsche-Chef Oliver Blume um. Ihre Konzerne sind Mitglied der noch jungen „Value Balancing Alliance“. Die Werteallianz arbeitet daran, Beiträge der Firmen für die Gesellschaft in Geld zu messen.

Frau Dubourg, Herr Blume, interessiert es in Krisenzeiten irgendwen, wie Werte gemessen werden?

Oliver Blume: Wichtig ist beides, gerade in diesen Zeiten: die Gesellschaft nachhaltig unterstützen und gleichzeitig das nachhaltige Handeln messbarer machen – ökonomisch, ökologisch, sozial.

Saori Dubourg: Die Kernfrage lautet doch: Wie viele dieser Viren können wir uns eigentlich leisten? Wie preisen wir gesamtwirtschaftliche Werte, aber auch Risiken besser ein, und wie stellen wir dadurch eine höhere Transparenz für Investoren her und tragen zur Stabilisierung von Märkten bei?

Hört sich abstrakt an.

Dubourg: Ziel der Werteallianz ist es, die Soziale Marktwirtschaft auch bilanziell abzubilden. Wir brauchen eine einfache, pragmatische gemeinsame Sprache, die sowohl von Institutionen als auch von der Wirtschaft verstanden wird und genutzt werden kann.

Dann hat Ihre Allianz in Zeiten der Coronavirus-Pandemie ungeplant besondere Bedeutung bekommen?

Dubourg: Ja, definitiv. Die Werte von Firmen sind ihr innerer Kompass, sie müssen sich jetzt in der Krise mehr denn je bewähren. Bei BASF gründet sich der Wertbeitrag auf drei Säulen: den wirtschaftlichen Erfolg, die soziale Sicherheit und den Schutz der Umwelt. Gerade jetzt, beim Wiederanfahren der Wirtschaft, sieht man, wie eng diese Themen zusammenhängen.

Es fehlt an Transparenz

Saori Dubourg ist Mitglied des Vorstands der BASF SE, verantwortlich für die Bereiche Agricultural Solutions, Nutrition & Health, Care Chemicals, Construction Chemicals und Bioscience Research, das Startup trinamiX sowie die Region Europa

Warum?

Dubourg: Man sieht, wie eng Löhne mit Kaufkraft verzahnt sind und welche Folgen Unsicherheit auf das Nachfrageverhalten hat. Wir haben 2017 berechnet, wie viel Wertbeitrag wir gemeinsam mit allen Lieferanten und Kunden durch Kaufkraft schaffen – es sind fast 70 Milliarden Euro. Und das nur durch die Auszahlung von Löhnen. Dieser makroökonomische Beitrag ist heute in den Bilanzen noch nicht abgebildet.

Blume: Wir geben ökologischen und sozialen Aspekten damit eine größere Bedeutung. Für Mitarbeiter und Gesellschaft, aber auch für Investoren. Bislang wird Unternehmenserfolg vor allem wirtschaftlich über Umsatz und Ergebnis bemessen. Das wollen wir erweitern.

Das hilft jetzt wenig, wo es für viele Unternehmen darum geht, ihr Überleben zu sichern.

Blume: Es wird aber perspektivisch helfen. Aktuell geht es natürlich darum, die Coronakrise systematisch und verantwortungsvoll zu managen. Bei Porsche konzentrieren wir uns darauf, wo wir als Unternehmen helfen können. Wir haben in den vergangenen Wochen zum Beispiel die Krisenstäbe von Baden-Württemberg und Sachsen mit Consulting- und IT-Experten unterstützt. Wir haben federführend die Beschaffung von Schutzmaterial in China für beide Bundesländer übernommen. Wir haben unsere Mitarbeiter zu ehrenamtlicher Hilfe aufgerufen und spenden weltweit an wohltätige Organisationen. Das ist unser unternehmerisches Selbstverständnis.

Und das soll in die Bilanz einfließen?

Dubourg: Das könnte man bilanzieren, auch wenn die Beispiele sehr speziell sind. Humankapital aber wird neben der Umwelt eines der wichtigen Themen für die Wertebilanzierung sein, etwa durch den Beitrag von Unternehmen zur Bildung, beispielsweise durch die betriebliche Aus- und Weiterbildung.

Blume: Bildung ist extrem wichtig. Und auch Umweltschutz kann wirtschaftlich sein. In der Automobilindustrie schauen wir uns etwa die gesamte Lieferkette an: Wie viel Wasser verbrauchen wir, wie hoch sind die Emissionen, wie lassen sich Abfälle reduzieren? Welche Folgekosten kann ich vermeiden? Die Antworten dürften für Investoren interessant sein, aber auch für die Gesellschaft insgesamt.

Lieferketten, Herr Blume, brechen schnell zusammen, wie wir gerade sehen. Ist die Pandemie Anlass, Lieferketten zu überdenken?

Blume: Eine Krise bietet auch Chancen. Wir alle sind gefordert, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das betrifft auch die Lieferketten bei Porsche. Welche Wege sind tatsächlich nötig, wie können wir Logistikaufwand reduzieren? Wir stellen uns dabei auch die Frage, wie nachhaltig unsere Lieferkette ist. Wir haben im Konzern ein Rating für Lieferanten entwickelt, das auch ökologische und soziale Komponenten beinhaltet. Es ist ein wesentlicher Maßstab unserer Vergaben.

Werden Unternehmen künftig die Zahl der Lieferanten und Lieferländer breiter streuen?

Dubourg: Unser Prinzip war immer, dort zu produzieren, wo unsere Kunden sind. Das haben wir in den vergangenen Jahren konsequent umgesetzt, und es zahlt sich gerade positiv für BASF aus. Aber bei unseren Kunden im Pharmasektor erleben wir momentan eine Diskussion über die globalen Wertschöpfungsketten bei medizinischen Vorprodukten.

Blume: Es wäre der falsche Weg, die Globalisierung jetzt komplett infrage zu stellen. Die Globalisierung und der freie Welthandel haben den Wohlstand insgesamt erhöht. Es geht dabei auch um Gesundheit, Bildung und Sicherheit. Und Nachhaltigkeit entfaltet dann die volle Kraft, wenn die Gesellschaft weltweit stabil und intakt ist.

Liegt der größte Wertbeitrag eines Managers in Krisenzeiten nicht vor allem darin, Jobs zu erhalten und den Fortbestand der Firma zu sichern?

Blume: Die Verantwortung eines Unternehmens liegt selbstverständlich darin, Arbeitsplätze zu erhalten. Aber auch Werte zu schaffen. Aufeinander zu achten, wie in einer Familie. Die zentralen Elemente unserer Porsche-Kultur sind gefragter denn je. Gleichzeitig sind Unternehmen auch Gesellschaft und Anteilseignern verpflichtet.

Womit wir bei einem Streitpunkt wären: Dürfen Dividenden und Boni gezahlt und zugleich Staatskredite oder Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen werden?

Blume: In der Debatte werden Dinge miteinander vermengt. Kredite vom Staat sind in der Tat Staatshilfe. Der Volkswagen-Konzern greift darauf nicht zurück. Kurzarbeitergeld wird hingegen aus Beiträgen finanziert, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer über viele Jahre eingezahlt haben. Hierbei geht es um die Leistung einer Versicherung. Der Volkswagen-Konzern und seine Belegschaft haben in den letzten zehn Jahren rund vier Milliarden Euro in diese Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Darüber werden in Krisenzeiten Arbeitsplätze gesichert.

Dividenden …

Blume: … haben einen Sinn: Wer Anteile an einem Unternehmen erwirbt, kann an der Entwicklung des Unternehmens teilhaben. Das gilt für internationale Investoren genauso wie für Kleinanleger, die ihre Rente absichern. Dividenden sieht man im Rückspiegel, sie sind keine Garantie für die Zukunft. In Bezug auf Prämien erhalten bei Porsche alle Mitarbeiter eine Sonderzahlung als Teil ihres Gehalts. Uns ist wichtig, die Leistung des vergangenen Geschäftsjahres wertzuschätzen, Menschen am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Darüber schaffen wir auch Kaufkraft. Zum Beispiel für Einzelhandel, Handwerk oder die Gastronomie.

Wozu brauchen wir dann noch eine Kaufprämie für Autos?

Blume: Es geht darum, wie wir den Wiederanlauf in unserem Land insgesamt unterstützen. Wie wir die gesamte Wirtschaft schnell ankurbeln und wie wir langfristige Effekte erzielen können. Es geht um Arbeitsplätze, Steuerleistungen und Konsum. Die Diskussion muss ganzheitlich geführt werden. Ob Kaufanreize, Investitionsförderung oder Steuererleichterung: Am Ende entscheidet die Politik über die Aufteilung der Mittel und darüber, wo die richtigen Hebel sind.

Und den sehen Sie in Ihrer Industrie?

Blume: Die Automobilindustrie bietet einen sehr großen Hebel. Jeder Siebte in Deutschland ist in diesem Wirtschaftsbereich beschäftigt. Bei der Bundesregierung liegen zahlreiche Vorschläge auf dem Tisch, die auf jeden Fall auch technologisch innovativ ausgestaltet sein sollten. Hilfreich wären zudem intelligente Schritte, die den Ausbau der Ladeinfrastruktur weiter voranbringen. Wichtig ist vor allem Geschwindigkeit. An den politischen Entscheidungen können sich Menschen dann orientieren.

Frau Dubourg, könnte man auch bei Firmen positiv bilanzieren, dass sie Vorsorge getroffen haben für Krisen, statt Staatshilfe zu beantragen?

Dubourg: Nachhaltigkeit bedeutet Verlässlichkeit gegenüber allen Stakeholdern: Aktionären, Kunden, Mitarbeitern, Gesellschaft. Das Finanzergebnis ist ja schon heute abgebildet. Was wir aber stärker herausstellen wollen, ist, wie viel Unternehmen in die Zukunft investieren, etwa in die Umwelt. Denn für viele professionelle Anleger sind Umweltrisiken zunehmend Kapitalrisiken.

Blume: Die Initiative der Werteallianz wird dazu führen, dass wir unsere Kennzahlen schärfen. Und noch zukunftsgerichteter wirtschaften. Im Sinne unserer Gesellschaft.

Dubourg: Der Kapitalmarkt bewertet aber Zukunftsinvestitionen derzeit nur bedingt. Es fehlt an Transparenz.

Droht das große Thema 2019, der Klimaschutz, nun unterzugehen?

Dubourg: Nein, das glaube ich nicht. Für unser Unternehmen kann ich nur sagen: Wir haben jetzt nicht aufgehört, in Umwelttechnologien zu investieren. Die optimale Ressourcennutzung ist Teil der DNA von BASF. Der Firmengründer Engelhorn war überzeugt, dass er auch aus Abfällen noch vieles machen kann. So ist unser Verbundgedanke der Ressourcennutzung entstanden. Corona wird an unserer Haltung zu effizienter Ressourcennutzung nichts ändern.

Blume: Ich glaube, dass die Coronakrise das Umweltbewusstsein sogar stärken wird. Das Verhalten der Kunden nach der Krise wird sich ändern, weil sich viele die Frage stellen, was das Leben lebenswert macht. Das könnte einen zusätzlichen Antrieb für umweltfreundliche Technologien geben. Bei Porsche halten wir an unseren Zielen fest – und lassen uns zudem von renommierten Experten beraten. Wir produzieren in Zuffenhausen bereits CO2-neutral, und 2025 wird rund die Hälfte unserer Flotte elektrisch betrieben sein.

Und was ist mit Stimmen aus der Autoindustrie, die jetzt die Klimaschutzvorgaben strecken wollen?

Blume: Davon halte ich nichts. Wir haben gemeinsam die Verantwortung, unsere Welt lebenswert zu erhalten. Investitionen in innovative Technologien sind alternativlos. Jeder Einzelne ist gefordert, seinen inneren Kompass darauf auszurichten.

Ist uns dieser Kompass in der Coronakrise abhandengekommen?

Blume: Nein. Ich beobachte mehr Achtsamkeit. Wichtig ist, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, unabhängig von Corona. Es ist auch eine Führungsphilosophie, wenn ich sagen kann: In meinem Handeln bin ich mir selbst treu geblieben.

Was ist für Sie persönlich von Wert?

Blume: Dass ich in zehn Jahren zurückblicken und sagen kann: Was ich mit der Mannschaft erreicht habe, hat nachhaltige Werte für die Gesellschaft geschaffen.

Dubourg: Unsere Verantwortung für die nächste Generation. Denn unsere Generation ist wahrscheinlich die letzte, die auch gestalterisch noch Weichen stellen kann bezüglich Klimawandel, aber auch Digitalität. Wir müssen die Chancen genauso wie die Konsequenzen durchdenken.

Vita

Saori Dubourg

Die Deutsch-Japanerin ist ein echtes BASF-Gewächs. Seit 2017 ist die 49-Jährige Mitglied des Vorstands und verantwortlich unter anderem für Agrochemie und Ernährung.

Oliver Blume 

Der Maschinenbauingenieur vertritt den gesamten VW-Konzern beim Thema nachhaltige Unternehmensführung. Der heute 51-Jährige wurde 2015   Vorstandschef von Porsche.

Info
Text erstmalig erschienen im Handelsblatt.
Das Gespräch führten Dieter Fockenbrock und Kirsten Ludowig.
 

Wir danken unserem Kompetenzpartner Porsche für den bereitgestellten Content.

Mehr Informationen unter: www.porsche.de