DER CLUB

Stirbt der Verbrenner aus,
Professor Indra?

Fritz Indra

Norbert Giesen im Gespräch mit Fritz Indra, ehemaliger Leiter von Fahrzeug- und Motorentwicklungen bei BMW Alpina, Audi, Opel und GM sowie Lehrbeauftragter der TU Wien

Stirbt der Verbrenner aus?
Überhaupt nicht. Sondern der Verbrenner hat eine globale Zukunft. Denn was sich momentan in Mitteleuropa abspielt, ist in erster Line politischer Aktionismus. Der Grund ist ganz einfach: Die Politik hat sich durch den Dieselskandal betrogen gefühlt. Salopp formuliert: Die Politik hat dann gesagt: Jungs, Ihr habt alles falsch gemacht – jetzt sagen wir Euch mal, wo es langgeht. Nämlich elektrisch. Im selben Augenblick haben sie das E-Auto für sauber erklärt – was natürlich völliger Unsinn ist.

Unbestritten ist doch das gute Emissionsverhalten eines E-Antriebs – es gibt keinen Auspuff und keine Abgase

Das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn dann betrachtet man die Umwelt- und Energiebilanz eines E-Autos nur auf dem Weg von der Batterie bis zum Rad. Da ist das E-Auto natürlich sauber. Man macht

sich aber nicht die Mühe zu ergründen, was für die Produktion notwendig ist, woher z.B. die Rohstoffe herkommen. Und natürlich auch, was die Kunden eigentlich brauchen und vor allem wollen. Zwar hat die Autoindustrie natürlich versucht, den Politikern klarzumachen, dass es ein Wahnsinn ist, so viel Geld in diese Entwicklung zu stecken. Das hat aber alles nichts genutzt – das weiß ich aus vielen Gesprächen mit Verantwortlichen. Die Politiker waren so geblendet von dem Hei- ligenschein der E-Mobilität, dass sie nicht davor und danach geschaut haben. Das Fatale ist, dass sie jetzt nicht mehr zurück- können. Die Autoindustrie hat jetzt viele Millionen in die Entwicklung und in die Produktion von E-Autos investiert. Es gibt zwar immer noch Phantasten, die glauben und hoffen, dass die Politik zurückrudern wird. Ich glaube nicht dran, weil sie das gar nicht kann. Wenn die Politik irgendwann sagt: Mea culpa, wir haben nicht weit genug geschaut, käme die Autoindustrie

und würde sagen, ihr habt uns gezwungen, diesen einen Weg zu beschreiten, jetzt wollen wir das viele Geld zurück haben. Dem Kunden jedenfalls muss man erklären, was das für ein Unsinn ist. Mit jedem E-Auto, das produziert wird, wird die Umwelt nicht besser, sondern schlechter. Als Verantwortlicher hat man die Pflicht und Schuldigkeit, neue Antriebtechniken gesamtheitlich zu beurteilen. Schließlich ist der Klimawandel nicht lokal, sondern auch global zu beurteilen.

Angeblich geben die Chinesen Vollgas in Sachen E-Autos ?
Die Chinesen sind uns ja so was von meilenweit voraus. Die haben sich ja zu einem sehr frühen Zeitpunkt Chile und den Kongo buchstäblich unter den Nagel gerissen – da war das Ganze noch gar nicht spruchreif. Weil dort das Lithium und das Kobalt lagern, und damit haben sie das voll in der Hand. Und heute kommen 90 Prozent aller

Fritz Indra

Frühberufener: Schon als Hochschulassistent unterrichtete Fritz Indra in Österreich an einer Höheren Technischen Lehranstalt (HTL)

Zur Person
Fritz Indra, 80, promovierte 1969 an der Technischen Universität Wien. Von 1971 bis 1979 arbeitete er bei BMW­Alpina als Entwicklungsleiter und von 1979 bis 1985 als Leiter der Motorenkonstruktion bei Audi. Von 1985 bis 1998 war er bei Opel Leiter der Motorenentwicklung und Direktor in der Vorausentwicklung sowie von 1997 bis Ende März 2005 Executive Director der Vorausentwicklung bei General Motors Powertrain in Detroit. Seit 1985 unterrichtete er an der TU Wien als Lehrbeauftragter. Indra wurde 1991 zum Honorarprofessor für Verbrennungs­ kraftmaschinen ernannt.

Lithium-Ionen-Batterien aus China. Und die Chinesen haben am Anfang so getan, dass sie voll auf die Elektrospur abbiegen und damit Europa und die USA gleichzeitig überholen. Auf die Frage: Wo wollen sie die vielen E-Autos verkaufen, die VW da plant? sagte mir ein VW-Verantwortlicher: In China laufen so viele junge Menschen herum, die werden alle E-Autos kaufen. Die Chinesen haben die ganze Sache stark forciert, weil sie sagten, ab der und der Zeit lassen sie nur noch E-Autos zu. Gleich- zeitig nimmt China alle 14 Tage ein kalorisches Kraftwerk ans Netz. Gerade in China ist ein E-Auto eine Katastrophe in Sachen Umwelt, weil die Batterien mit riesigen Mengen vom billigsten und schmutzigsten Strom hergestellt und dann auch noch in den Fahrzeugen zum Aufladen der Batterien verwendet wird. Daher fährt ein E-Auto per se mit einem riesigen CO2- Rucksack aus der Produktion. Jetzt haben die Chinesen die Förderung und die Anreize reduziert, und sofort ist der Markt zurückgegangen – wie übrigens auch in den USA. Was dazu geführt hat, dass im Vergleichszeitraum 2018 vs 2019 kaum eine Steigerung am E-Auto-Absatz zu verzeichnen ist. Nur aufgrund der massiven Förderung gibt es einen E-Auto-Hotspot in Europa und vor allem in Deutschland. Das hat Elon Musk dazu bewogen, hier zu investieren. Ich glaube auch nicht, dass sich global 2020 in Sachen E-Autos viel tut. Die Chinesen sind von der solitären Förderung weggegangen und fördern alle Technologien gleichermaßen. Das ist das Einzige, was Sinn macht: Man muss ein Ziel vorgeben, offen in der Art und Weise, wie man das erreicht. Die Einseitigkeit kann nicht gut sein: Die jetzige Förderung wird ja Ende des Jahres auslaufen. Die Frage ist: Kaufen die Leute dann weiter E-Autos – ich glaube: nein.

Aber ich fürchte auch sehr, dass dann immer weiter gefördert wird. Gerade ist in den österreichischen Medien zu lesen, dass die Grünen jubeln, weil 2021 unglaubliche 40 Mio. Euro für die weitere Förderung der E-Mobilität zur Verfügung stehen werden.

Wie sieht das mit dem „Cost of ownership“ aus, und wie entwickeln sich die Restwerte bei E-Autos?

Das ist ein Thema, was sie kaum in der Zeitung lesen. Wenn die Batterie nach acht Jahren altersschwach wird, stirbt mit der Batterie das ganze Auto, weil die Batterie mit Abstand das Teuerste am Auto ist. Der Anteil der Kosten beläuft sich auf rund ein Drittel des Anschaffungspreises – das ist nach heutiger Lesart ein wirtschaftlicher Totalschaden. Volkswirtschaftlich gesehen ist das eine Katastrophe: Das größere Kapital, das man für die Produktion des E-Autos hineingesteckt hat, ist nach acht Jahren futsch. Einen Verbrenner fährt man 20, 30 Jahre, als Klassiker lebt ein Auto auch noch weitere Jahrzehnte. Die Nutzung des eingesetzten Kapitals ist um ein Vielfaches höher.

Es gibt ganz gewichtige Stimmen, die massiv diese Politik kritisieren – von Herrn Kretschmann bis hin zum Betriebsrat von Daimler, die sich vehement gegen die Verbannung des Verbrenners auflehnen. Man hat den Eindruck, dass die Industrie vor der Politik kuscht und sich verbeugt – wohlwissend, dass es in einer Sackgasse enden könnte. Hier spielen natürlich die Strafzahlungen eine Rolle, die die Autoindustrie in die Knie zwingen.

Was müsste die Politik aus Ihrer Sicht verändern?
Was ich hoffe, dass die Politik kurz- bis mittelfristig auch den Verbrenner fördert. Denn die stark subventionierten E-Autos können den Verlust bei den zuvor stigmatisierten Verbrennern nicht kompensieren, andererseits ist ein E-Auto als Erstauto für die meisten Kunden nicht praktikabel. Die Folge: Die Kunden behalten ihren „Alten“ und fahren ihn so lange wie möglich. Was das für die Wirtschaft bedeutet, liegt auf der Hand. Wenn’s aber im konventionellen Bereich keine für Kunden erlebbaren Fort- schritte gibt, gibt es auch keinen Konsumanreiz. Der Reiz der E-Autos ist eher akademischer Natur und noch realitätsfern.

Ich habe etwas Hoffnung, dass eine eigens dafür eingesetzte Kommission die Förderung der Verbrenner noch in diesem Jahr auf den Weg bringt.

Ist der Plug-in-Hybrid der Königsweg ?
Das ist genau so ein Schmarrn. Man hat die Autoindustrie mit der so genannten „Verbrauchslüge“ immer angegriffen. Dann geht sie hin und erlaubt völlig wirklichkeitsfremde Verbrauchsangaben, die nur im Mix mit möglichst hohem Elektro-Kilometer-Anteil erreichbar ist. Diese Mogelpackung ist natürlich auch angreifbar – vor allem wenn sie noch steuerlich gefördert wird und von den Nutzern missbraucht werden kann. In Österreich spart man wegen der wegfallenden NOVA (österr. Zulassungssteuer, Anm.d. Red.) einen Haufen Geld, in Deutschland sind die Plug-in-Hybride steuerlich als Dienstwagen höchst interessant, und sie machen nur Sinn, wenn sie möglichst oft aufgeladen werden können und rein elektrisch fahren. Wenn nicht, brauchen sie deutlich mehr als ein vergleichbarer viel günstigerer Verbrenner wegen des Mehrgewichts.

Zudem lässt sich ein Plug-in-Hybrid auch noch per Verbrenner aufladen, was die Dienstwagen-Fahrer gern nutzen, wenn sie eine Tankkarte besitzen. Dann ist der Missbrauch komplett. Aber da tut sich jetzt was, weil diese Fahrzeuge müssen auch weg, weil sie ja auch noch einen Verbrenner an Bord haben, und der muss nach dem Willen der Grünen nicht nur bei den Pkw, den Lkw, sondern auch bei den Schiffen und Flugzeugen ja völlig verschwinden. Also sind die Plug-in-Hybride jetzt ins Schussfeld der Grünen und auch von Minister Scheuer geraten. Bin gespannt, ob die Politik, die das ja so beschlossen hatte, wenigstens diesen Fehler zugibt.

Was halten Sie von Mild-Hybriden ?
Die milden Hybride sind kaum mehr wegzudenken. Sie können die systemimmanente Schwäche eines Verbrenners im unteren Drehzahlbereich sehr gut kompensieren, können auch etwas Rekuperieren und so zur Kraftstoffeinsparung signifikant beitragen. Das macht auch aus Ingenieurssicht viel Sinn. Vor allem auch, weil es sich für den Kunden rechnet.

Wäre nicht die Förderung von synthetischen Kraftstoffe der Königsweg ?
Das hätte den Vorteil, dass auf Anhieb alle Fahrzeuge damit einschließlich des Altbestands, auch Busse, Lkw und Schiffe, ja sogar Haushalte mit Ölheizung betankt werden können, mit einem unmittelbaren positiven Umwelteffekt. Diese Kraftstoffe werden „natürlich“ von den Regierungen nicht gefördert, weil ja damit Verbrenner-Fahrzeuge total sauber werden und diese damit eine Konkurrenz zur allein selig- machenden E-Mobilität darstellen würden.

Wirken sich die Vorgaben auch auf die Lehre aus?
Als Hochschullehrer musste ich feststellen, dass für die Fachrichtung Maschinen- / Motorenbau bei immer weniger Studenten Interesse besteht. Das war in China auch so, hat sich aber wieder geändert. Die Chinesen entwickeln jetzt neue Verbren- nungsmotoren zusammen mit dem österreichischen Motorenentwickler AVL: hoch verdichtete Triebwerke im Verhältnis 16 :1. Die haben einen Wirkungsgrad bis zu 50 Prozent. Diese Entwicklung wird zusammen mit synthetischen Kraftstoffen jetzt in China gefördert.

Die Vision ist nicht abwegig: Zum Schluss werden die Europäer diese Motoren zukaufen. Denn kein deutscher Automobilhersteller gibt derzeit Geld aus für die Entwicklung neuer Verbrennungsmotoren.

Wir danken dem WAC-Pressepartner MPD e.V. für den bereitgestellten Content.

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