CLASSICS

GÖTTLICHER STREITWAGEN

Octane Magazin Ferrari Ottis

Dieser Ferrari 750 Monza Spider diente den amerikanischen Legenden Carroll Shelby und Phil Hill als Rennuntersatz. Nach mehreren Restaurierungen ist die Vierzylinder-Ikone jetzt wieder heiß auf die Strecke.

Während die Fachwelt vom GTO und Testa Tossa schwärmt, scheint es als sei einer der schönsten, ruhmreichsten und honorigsten aller Ferrari zu einem Schattendasein verdammt. Man fragt sich, wie es sein kann, dass ein solches Schicksal majestätische Autos ereilen konnte, die es mehr als verdienen, in einem Atemzug mit diesen Titanen genannt zu werden. Ganz im Ernst: Wie könnte man beim Gedanken an einen Ferrari 750 Monza keine weichen Knie bekommen?

Bekannt ist, dass Ferrari-Fans schon immer Probleme hatten – und auch heute noch haben –, wenn sich die Marke aus Maranello von ihrem V12-Terrain entfernt. Aber das erklärt nicht, warum die spektakulären Vierzylinder- Sportwagen, die in den 1950er-Jahren auf der Bildfläche erschienen, so wenig gewürdigt werden. Der Motor von Aurelio Lampredi hat vielleicht nicht die Resonanz, die Kraft oder den Sound des Colombo-V12, aber ihm gebührt dieselbe Wertschätzung. Vom 625 TF bis zum 500 TRC waren diese schlanken Sportwagen sensationell und wurden von Rennfahrern und Ästheten gleichermaßen vergöttert. Unter all den Vierzylinder-Ferrari steht der 750 Monza Spider an der Spitze. Und der hier gezeigte 750 Monza Spider setzt dem Modell die Krone auf.

Niemand Geringeres als Carroll Shelby und Phil Hill waren mit diesem Ferrari 750 Monza Spider ab 1955 im Renneinsatz. Zuerst bei den 12 Stunden von Sebring.

Doch zunächst ein wenig Geschichte. Der 750 erschien erstmals 1954 als Prototyp. Den Beinamen Monza erhielt das Modell nach seinem ersten erfolgreichen Renneinsatz auf ebenjener Rennstrecke im Norden Italiens. Die atem- beraubend schöne Karosserie wurde von Scaglietti nach einem Originalent- wurf aus der Feder von Enzo Ferraris Sohn Dino gebaut. Der Wagen hatte eine Dreiliter-Version des Lampredi-Vierzylinder-Reihenmotors mit zwei zahnradgetriebenen, obenliegenden Nockenwellen unter der Haube, die sich durch ihre in den Zylinderkopf geschraubten Zylinderlaufbuchsen auszeichnete. In dieser Form leistete der Motor 245 PS bei 6000 Umdrehungen pro Minute, die über ein Viergang-Transaxle-Getriebe auf die Straße gebracht wurden.

Der neue Wagen hatte dank des von Gilco gefertigten Stahlrohrrahmens und der Aluminiumbleche ein Fliegengewicht von 750 Kilogramm. Außerdem war er mit einer Vorderradaufhängung aus Schraubenfedern und Doppelquerlenkern und einer De-Dion-Hinterachse mit querliegender Blattfeder recht wendig. Eingebremst wurde er von vier riesigen hydraulischen Alfin-Trommelbremsen. Doch der 750 Monza bekleckerte sich nicht nur mit Ruhm: 1955 kam mit dem Unfalltod von Alberto Ascari bei einer Testfahrt mit dem 750 auch eine Tragödie hinzu – ausgerechnet in Monza. Welche Ironie!
Nur ein Vierzylinder? Ja, aber mit drei Litern Hubraum und 260 PS unter der Haube kann man nicht von untermotorisiert sprechen.

Der hier vorgestellte Ferrari 750 Monza von 1955, Fahrgestellnummer 0510M, hat eine bemerkenswerte Geschichte. Die meisten dieser Rennwagen wurden hart gefahren und waren damit schnell verschlissen. Unfälle, Moto- renwechsel und Defekte auf der Strecke waren das Schicksal der meisten Rennwagen der 1950er-Jahre. Nicht so bei diesem Exemplar. Der Wagen wurde über den US-Importeur Luigi Chinetti neu an Allen Guiberson verkauft, einen Geschäftsmann aus Dallas, der in der Ölindustrie tätig war.

Er hatte bereits andere Ferrari besessen, darunter einen 375 MM, den Phil Hill und Richie Ginther bei der Carrera Panamericana in Mexiko pilotiert hatten. In der amerikanischen Rennszene galt der 750 als das neueste »Werkzeug« im Kampf um den Sieg. Als erstes Rennen bestritt der Wagen die 12 Stunden von Sebring im Jahr 1955, für das sich Guiberson erneut die Dienste von Phil Hill sicherte. Dem stellte er einen aufstrebenden jungen Fahrer namens Carroll Shelby, ebenfalls aus Dallas, zur Seite.

Die Originalität des Scaglietti-Aufbaus wurde bei der Restaurierung gewahrt. Dabei war es von Vorteil, dass der Wagen nie verunfallt war.

Damals waren die Dinge noch einfach: Shelby fuhr mit einem Pick-up- Truck und einem Anhänger von Dallas nach New York, um den Monza abzuholen und zum Rennen nach Sebring, Florida, zu bringen. Die beiden angehenden Legenden kamen als Erste ins Ziel, wurden aber nachträglich auf den zweiten Platz verwiesen, hinter Briggs Cunninghams D-Type- Jaguar, gefahren von Mike Hawthorn und Phil Walters.

Carroll Shelby fuhr dieses Rennen mit einem Arm im Gipsverband. In der Zeitschrift »Sports Illustrated« vom 25. März 1957 erklärte er, warum: »Bei der Panamericana von 1954 fuhr ich am zweiten Tag einen kleinen Austin-Healey und war im Gesamtklassement Dritter hinter [Umberto] Maglioli und [Phil] Hill. Ich wollte superschlau sein und habe ordentlich Gas gegeben, um die Führenden einzuholen. In einer Kurve habe ich mich dann überschlagen. Zum Glück war das an einer Stelle, an der die Straße durch eine Mauer begrenzt war, dahinter ging es steil den Berg hinunter. Bei diesem Unfall habe ich mir den rechten Ellbogen zerschmettert. Ich musste sechs Stunden lang am Straßenrand liegenbleiben, bis alle Autos vorbeigefahren waren. Danach brachte mich ein mexikanischer Krankenwagen in einer halsbrecherischen Fahrt ins Krankenhaus von Puebla.«

Wer braucht schon einen Tacho beim Rennen? Der Vierzylinder wurde komplett neu aufgebaut, das Farbschema von 1955 in Pebble Beach erneut aufgetragen.

Und wie ging die Sache weiter? Ist der Arm von allein geheilt? »Ich fuhr die nächsten vier Rennen mit einem eingegipsten Arm. Eines davon war Sebring 1955 im Ferrari von Allen Guiberson. Sie sagten Phil und mir, wir hätten gewonnen, änderten dann aber sofort ihre Meinung und schenkten dem D-Type den Sieg. Mein Hausarzt hatte mir einen Gipsverband angelegt. Vor dem Rennen ließ ich diesen Gips von einem anderen Arzt abnehmen, der mir dann einen leichteren verpasste. Ich legte meine Hand auf das Lenkrad, und dann gipste er mir den Arm mit einem schnell trocknenden Material aus einer Art Glasfaser neu ein. Aber ich habe dafür bezahlt. Sie mussten einen Knochen aus meinem Bein entnehmen, um meinen Ellbogen wiederherzustellen. Deshalb ist mein Golfspiel jetzt nicht mehr so gut.«

Text und Fotos Ingo Schmidt // Bearbeitung Christel Flexney

Lesen Sie die ganze Geschichte in OCTANE #55

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