CLASSICS
Der kreative Geist
Ob Klavierspiel, Malerei oder Konstruktion eines Rennmotors – das Repertoire von Hans Mezger reicht weit und resultierte in genialen technischen Kompositionen.
„In Le Mans waren wir 1969 mit dem 917 ein ganzes Hauseck schneller als die Konkurrenz. Wäre das Getriebegehäuse nicht gerissen, hätten wir souverän gewonnen.“
Hans Mezger über den ersten Le-Mans-Einsatz des noch jungen 917
Wenn sich der Motorsport-Fan eine Liste der herausragenden Konstrukteure von Rennfahrzeugen und Rennmotoren ins Gedächtnis ruft, erscheinen so furchtbar viele Namen nicht. Einer ist jedoch immer darunter und für viele Fans und Fachleute steht er sogar ganz oben: Hans Mezger, Konstrukteur des luftgekühlten Sechszylinder-Boxermotors des Porsche 911, Gesamtkonstrukteur des 917 und dessen Zwölfzylinder-V-Triebwerk mit 180 Grad Bankwinkel, außerdem Schöpfer des TAG- Turbo-Formel-1-Motors. Hans Mezger und sein Schaffensspektrum sind längst Legende. Doch der Reihe nach. Hans Mezger wird am 18. November 1929 in Ottmarsheim, einer kleinen Dorfgemeinde bei Ludwigsburg vor den Toren Stuttgarts, geboren. Er ist das jüngste von fünf Kindern, die Eltern betreiben einen Landgasthof.
Kunst und Kultur werden im Hause Mezger großgeschrieben. „Fast alle in unserer Familie hatten Talent zum Malen und spielten ein Musikinstrument. Ich fand das Leben spannend und besuchte die Volksschule. An Berufswünschen war bei mir alles dabei – vom Musiker bis zum Physiker“, erinnert sich Hans Mezger an seine Kinder- und Jugendzeit. Auch Flugzeuge und das Fliegen begeistern den jungen Hans von klein auf, und so unternimmt er mit einer Segelfliegergruppe aus seiner Nachbarschaft hin und wieder einen Ausflug nach Kirchheim/Teck, wo er fasziniert die Gummiseilstarts des Schulgleiters SG-38 beobachtet. „Ich wollte unbedingt selbst fliegen, war damals aber noch zu klein“, erinnert er sich.
Daytona 1968: Peter Falk, Hans Mezger, Helmuth Bott, Rolf Stommelen, Huschke von Hanstein, Joe Buzzetta, Hans Herrmann, Vic Elford und Gerhard Mitter.
Mitten hinein in die unbeschwerte Kinder- und Jugendzeit und den Besuch des Gymnasiums schlagen das „Dritte Reich“ und der Zweite Weltkrieg. Und am 18. April 1945, gerade mal drei Wochen vor Kriegsende, entgeht Hans Mezger nur mit Glück und dem fingierten Attest eines deutschen Kommandanten dem Kriegseinsatz. Da die Konstruktion, der Bau und der Betrieb von Flugzeugen von den Alliierten verboten werden, erst 1951 wieder Segelflug und 1955 schließlich auch Motorflug möglich ist, kommt eine Luftfahrtkarriere für Hans Mezger nicht infrage. „Das hätte eine zu lange Wartezeit bedeutet, Also entschied ich mich für ein Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule, der heutigen Universität Stuttgart“, erinnert sich der Schwabe, dem die Mathematik immer besonders leichtfiel.
„Vielleicht lag es am Champagner, aber wir hatten eine launige Diskussion darüber, ob der Porsche-Motor oder das McLaren Chassis den ersten Grand Prix gewonnen hatte. Wir scherzten und befanden, dass sich das Wort ‘Engineer’ für Ingenieur ja schließlich von ‘Engine’ (Motor) ableitet.“
Hans Mezger zum ersten Sieg des McLaren TAG Turbo in Rio de Janeiro 1984
Hans Mezger (zweiter von links) 1960 mit dem ersten Porsche-Formel-1-Motor des Typs 753 und seinen Kollegen Hans Hönick (über dem Motor), Eberhard Storz, Helmut Heim und Rolf Schrag.
Mit dem Studienabschluss 1956 einher ging eine wahre Flut von Jobangeboten. „Es waren 28. Doch Porsche war nicht dabei. Ich wollte aber zu Porsche, denn der Sportwagen vom Typ 356 begeisterte mich. Daraufhin bewarb ich mich, wurde auch eingeladen, und die Firma bot mir eine Tätigkeit in der Traktorenentwicklung an. Mir schwebte jedoch die Arbeit an Sport- und Rennfahrzeugen vor. Das hat dann glücklicherweise geklappt, und ich fing in der Berechnungsabteilung bei Porsche an“, erzählt Hans Mezger über seinen Einstieg beim Zuffenhausener Sportwagenhersteller.
Hans Mezger (rechts am Wagen mit weißem Hemd), als John Watson am 29. Juni 1982 den TAG Turbo erstmals im McLaren-Chassis fuhr.
Dann geht es sozusagen Schlag auf Schlag. Hans Mezger sammelt erste Erfahrungen mit dem Viernockenwellenmotor, entwickelt eine Formel zur Berechnung von Nockenprofilen und wird 1960 Teil des ersten Formel-1-Projekts von Porsche. An der Entwicklung des 1,5-Liter-Achtzylinders vom Typ 753 ist er dabei ebenso beteiligt wie an der des dazugehörigen Chassis des 804. „Die Firma war damals noch so klein, da wurde durchaus übergreifend gearbeitet und Motorenleute übernahmen auch mal Arbeiten am Fahrwerk“, erzählt der 89-Jährige.
Ferry Porsche (r.) wurde für Hans Mezger ein Vorbild. Hier zusammen mit Peter Falk (Mitte) 1962 an der Solitude.
Dann folgen der weltberühmte „Mezger-Motor“ für den 901 beziehungsweise 911 und 1965 der Aufstieg zum Leiter der von Ferdinand Piëch geschaffenen Rennsportentwicklungsabteilung. Sie ist der Schlüssel für eine neue Qualität und Dynamik von Porsche im Motorsport. Es ist eine spannende, wilde Zeit Mitte der 60er. Gearbeitet wird bisweilen auch rund um die Uhr. Etwa, als 1965 in nur 24 Tagen der sogenannte Ollon-Villars-Spyder entsteht. Mit seiner Konstruktion aus Gitterrohrrahmen und Glasfaserkarosserie wird er sozusagen zur Blaupause für alle Rennfahrzeuge, die in den darauffolgenden Jahren entstehen.
Auch bei der Entwicklung des 917 vertraut Porsche 1968 auf dieses Konstruktionsprinzip. Mit dem 917 soll endlich der erste Gesamtsieg für Porsche in Le Mans möglich werden, und einmal mehr setzt Ferdinand Piech auf die Kunst von Hans Mezger, der die Gesamtkonstruktion des Fahrzeugs und seines Zwölfzylinders übernimmt. 1970 und 1971 dominieren die 917 in Le Mans und in der Sportwagenweltmeisterschaft, 1972 und 1973 zeigen die 917/10 und 917/30 dank Turboauf ladung in der CanAm-Serie, wo’s langgeht. Eine Technologie, die Hans Mezger und seine Mannschaft 1974 in Gestalt des 911 Turbo zur Serienreife bringen.
Niki Lauda münzte Hans Mezgers TAG-Turbo-Konstruktion 1984 in den Gewinn der Formel-1-Weltmeisterschaft um. McLaren und der Porsche-Motor siegten damals in 12 von 16 Rennen und mit nur einem halben Punkt Vorsprung wurde Lauda Weltmeister vor seinem Teamgefährten Alain Prost
Viele weitere siegträchtige Entwicklungen folgen. Für die 24 Stunden von Le Mans, die Sportwagen-WM oder die amerikanische Indy-Serie. Doch das wohl herausragendste Projekt nimmt 1981 Fahrt auf, als sich Ron Dennis und sein McLaren-Rennstall auf die Suche nach einem schlagkräftigen Turbo-Motor machen. Die Wahl fällt schließlich auf Porsche, und man beschließt, einen komplett neuen Motor zu konstruieren, zu bauen und auch vor Ort bei den Rennen zu betreuen. Auch diesmal ist Hans Mezger der kreative Kopf und Macher des 1,5-Liter-V6-Motors mit 80 Grad Bankwinkel, der es später im Rennen auf mehr als 1.000 PS bringen sollte. 1984 wird Niki Lauda damit Weltmeister, 1985 und 1986 gelingt dies Alain Prost. Hinzu kommen die beiden Konstrukteurs-Weltmeisterschaften 1984 und 1985. „Das war damals ein großartiger Erfolg und gleichzeitig auch der bis dahin wichtigste Entwicklungsauftrag einer Fremdfirma für Porsche“, ergänzt Hans Mezger, der 1993 in Pension geht und Porsche bis heute aufs Engste verbunden ist.
Kontakt
Jürgen Gassebner
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Historisches Archiv Porsche AG
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