Koenigsegg wieder
auf Rekordkurs – dank
Biosprit E85

Über 500 km/h sind machbar. Koenigsegg fordert Bugatti heraus und fährt mit Biospirt E85

Der Koenigsegg Jesko Absolut ist startklar. Die 1994 gegründete schwedische Megacar-Marke strebt damit einen neuen Topspeed-Rekord für Serien-Sportwagen an: 531 km/h. Zumindest bei den Computer-Simulationen hat das käufliche Sondermodell den bestehenden Rekord des Bugatti Chiron Super Sport 300+ (letztes Foto) von 490,5 km/h bereits problemlos geknackt. Und das mit nur acht Zylindern und vergleichsweise schlanken fünf Liter Hubraum. Was derzeit noch fehlt, ist die dazu geeignete Piste.

Die technische Basis für das um einige Zentimeter verlängerte und ganz ohne Heckspoiler (kein Preisnachlass) auftretende Rekordauto bildet der seit 2021 produzierte Koenigsegg Jesko, benannt nach dem Vater des Firmengründers Christian von Koenigsegg. Es gibt zwei Varianten: Attack für die Rennstrecke (orangenes Fahrzeug) und Absolut für die Autobahn (dunkelgraues Fahrzeug), insgesamt sollen nur 125 Exemplare zu Preisen von 2,3 bis drei Millionen Euro entstehen. In beiden Modellen erzeugt ein kompakter Fünf-Liter-V8 dank zweier Turbolader mit Kompressor-Unterstützung wahlweise 1280 oder 1600 PS. Die deutliche Mehrleistung entsteht durch die Erhöhung des Ladedrucks von 1,7 Bar auf 2,2 Bar. Und durch den Bio-Power-Kraftstoff E85. Das heißt, dass der Benzinanteil bei nur 15% liegt, der Rest ist pures Ethanol.

Hier stellt sich besonders unter E10-Verweigerern sofort die Frage: Wie machen die das? Wieso kommt der V8 bei den angepeilten 8500/min nicht ins Stottern? Die Antwort lautet: reine Gewohnheitssache. Bereits seit Jahrzehnten ist es technisch kein Problem, moderne (Hochleitungs-) Motoren für den Betrieb mit einem Bioethanol-Benzin-Gemisch abzustimmen. Schon der Mercedes-Rennwagen W196 hatte in seinem ätzenden Kraftstoff-Cocktail 25% Ethanol. Die amerikanische IndyCar-Serie fährt seit Jahrzehnten mit E85 und ab 2023 sogar mit E100. Mit entsprechend eingestellten Zündungs- und Einspritzsystemen einschließlich Pumpen, Tank und Zuleitungen klappt das problemlos. Vor allem in Brasilien sind viele Standard-Modelle von Fiat, Ford, GM, Renault und anderen sogenannte „FFV“, Flexible Fuel Vehicle, deren Elektronik per Sensor den jeweiligen Ethanol-Anteil im Sprit ermittelt und den Motor darauf abstimmt. Wer E85 tankt, muss jedoch mit einem etwas höheren Verbrauch rechnen, erhält aber dank 107 Oktan deutlich mehr Leistung. Das ermöglicht unter anderem die 1600 PS des stärkeren Jesko-Motors.

Auch eine positive Umwelt-Bilanz spricht für Bioethanol als Alternative zu dem aus Erdöl gewonnen Benzin, hängt jedoch vom Grad der Beimischung ab. Bei der Verbrennung von E85 ergeben sich etwas geringere Werte für CO, NOx und dem Treibhausgas CO2. Außerdem entfallen die umweltschädlichen Additive, die im Benzin zur Erhöhung der Klopffestigkeit enthalten sind. Viel wichtiger erscheint dagegen der klimaneutrale Effekt von reinem Bioethanol. Das sogenannte „advanced biofuel“ besteht zu 100% aus pflanzlichen Resten, die nicht im Bereich der Lebensmittel eingesetzt werden. Zu deren Wachstum wird bei der Photosynthese CO2 aus der Umwelt entnommen, das durch die spätere Verbrennung wieder freigesetzt wird. Allerdings gilt die Klimaneutralität von Bioethanol nur für bereits bestehende Agrarflächen, die derzeit bei uns immer häufiger als „Solarparks“ fungieren. Diese umzäunten, überaus hässlichen Photovoltaik-Freiflächenanlagen zerstören die Landschaft und schränken den Lebensraum unserer geliebten Wölfe noch weiter ein.

Wie der Wolf ist auch E85 im Prinzip ein alter Bekannter. Anfang 2008 gab es hierzulande etwa 185 Tankstellen, die auch E85 im Angebot hatten, den Liter für rund einen Euro. Weil 2015 die Steuervergünstigung für E85 wegfiel, ist dieser Kraftstoff in Deutschland heute kaum mehr erhältlich. Ganz anders in Frankreich: Hier führt etwa jede vierte Tankstelle E85 im Sortiment, der Liter kostete Ende 2022 nur schlanke 70 Cent. Auch in Schweden gibt es rund 1750 Tankstellen, die E85 verkaufen. Mehr als 200.000 Autos schlucken dort den extrastarken Bio-Sprit, die teilweise nachträglich hierfür umgerüstet wurden. So ist es auch für jeden Schweden selbstverständlich, dass die schwedische Automarke Koenigsegg ein E85-taugliches Modell im Programm hat. Dass es derzeit seine Spitzengeschwindigkeit mangels tauglicher Straße (und wegen strenger Tempolimits) noch nicht erproben konnte, steht auf einem anderen Blatt. Warten wir ab. Go Jesko Go!

Text: Dr. Franz-Peter Hudek