MOBILITÄT

Neues wagen

Weniger Debatten um Reichweiten und mehr Mut zur Innovation – so sollten wir die Voraussetzungen für ein neues Mobilitätsverhalten schaffen, meint Prof. Dr. Günther Schuh.

Der Ingenieur und Wirtschaftsingenieur Prof. Dr. Günther Schuh ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik an der RWTH Aachen und leitet den Bereich Technologiemanagement am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT. Foto: imago /wolterfoto

DEKRA solutions: Herr Professor Schuh, welchen alternativen Antrieb sehen Sie Ende des kommenden Jahrzehnts vorn?

Günther Schuh: Es wird nicht den einen Antrieb, sondern eher ein sowohl als auch geben. Wir müssen es uns jetzt leisten, in zwei Infrastrukturen zu investieren, in die Wasserstoff- und in die Batterietechnologie.

Was ist mit den sogenannten Designer-Kraftstoffen?

E-Fuels können massiv dazu beitragen, den CO2-Emissionen deutlich zu senken. Denn auch in zehn oder 20 Jahren benötigen wir noch Kolbenmotoren, die flüssige Kraftstoffe verbrennen. Der entscheidende Vorteil bleibt klar deren hohe Energiedichte. Keine Batterie wird hier jemals mithalten können. Zudem können die Autofahrer weiterhin normal tanken und ihr gesamtes Nutzungsprofil beibehalten.

Damit wären ja eigentlich batterieelektrische SUVs, die fast 2,5 Tonnen wiegen, der falsche Weg in die Elektromobilität, oder?

Elektrische SUVs sind ökonomisch nicht sinnvoll. Sie können Batteriekapazität, Reichweite und Fahrgeschwindigkeit physikalisch nicht vernünftig unter einen Hut bringen. Batterien werden auch in Zukunft nicht wesentlich leichter und leistungsfähiger sein. Deshalb wäre es sinnvoller, den rein batterieelektrischen Antrieb auf kleinere Fahrzeuge zu reduzieren und größere beispielsweise in Verbindung mit einer Brennstoffzelle als einen so genannten Range Extender zu betreiben.

Wie sollte am sinnvollsten die Wasserstoff-Infrastruktur aufgebaut werden?

Hier müsste sich die Branche eigentlich komplett neu erfinden und Wasserstoff in großen Mengen und möglichst aus regenerativen Quellen herstellen.

Ließe sich das nicht gut über die Windkrafträder realisieren?

Solange es hier Überkapazitäten, sprich keine Balance im Netz gibt, kann man das sicher bis zu einem gewissen Grad machen. Aber wird das auch in zehn Jahren noch der Fall sein? Dann brauchen wir andere Lösungen.

Machen die OEMs bei der Elektromobilität alles richtig?

Vielleicht haben unsere OEMs zu lange gezögert, bis sie von der Notwendigkeit und Größe des Marktes für E-Fahrzeuge überzeugt waren. Jetzt investieren sie jedenfalls vehement in E-Mobility mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Es kommt nun auf uns, die Kunden und Verbraucher an, ob wir uns trauen und auch innovativ genug sind, unser Mobilitätsverhalten entsprechend umzustellen. Wenn 25 Prozent aller Pkw in Deutschland nie mehr als 150 km am Tag fahren, frage ich mich schon, warum die meisten potentiellen Autokäufer noch sagen, ihnen reiche die Reichweite der heutigen E-Autos nicht aus.

Prof. Dr. Günther Schuh war 2010 Mitbegründer der StreetScooter GmbH. Foto: Thomas Küppers

Mit Ihrem 2015 gegründeten Unternehmen e.GO Mobile AG und nicht zuletzt durch das StreetScooter-Projekt haben Sie im Elektrofahrzeug-Markt starke Impulse gesetzt. Gilt die e.GO Mobile AG eigentlich noch als Startup?

Formal ja, weil es noch keinen positiven Cash-Flow gibt. Lieber aber wäre es mir allerdings, wir wären kein Startup, weil viele Menschen mit dieser Bezeichnung stets etwas „Nichtprofessionelles“ assoziieren. Das Gegenteil ist bei uns der Fall. Wir stellen derzeit pro Monat zwischen 40 und 50 neue Mitarbeiter ein. An unserem Produktionsstandort in Aachen sind mittlerweile 470 Menschen tätig.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?

Wir legen schon jetzt die Basis für eine Ausweitung der Produktion in andere Länder. 2020 geht es in China los. Die Standorte für 2021 und 2022 sind bereits verabschiedet. Ich darf sie allerdings noch nicht nennen. Für 2023 stehen wir gerade mit einem Partner in Verhandlung. Die Voraussetzungen sind stets die gleichen: Wir brauchen immer einen Investor vor Ort.

Bleibt es nur beim Stadtflitzer e.GO Life?

Nein, innerhalb der von Ihnen angesprochenen fünf Jahre werden wir sechs Fahrzeuge auf drei Plattformen im Programm haben. Unser Produktionskonzept und Konstruktionsprinzip erlauben es, innerhalb von zwölf bis 15 Monaten ein Derivat auf die Räder zu stellen.

Derzeit setzen Sie zu 100 Prozent auf den elektrischen Antrieb. Was unternehmen Sie, um Lieferengpässe bei den Batteriezellen auszuschließen?

Wir arbeiten mit mehreren Lieferanten zusammen und mindern so das Risiko. Generell würde ich es sehr begrüßen, wenn hier in Europa eine eigene Zellproduktion aufgebaut werden würde.

Wie wollen Sie zukünftig den CO2-Rucksack, der vor allem bei der Zellenfertigung entsteht, möglichst klein halten?

Das schaffen wir, indem wir zum einen die Batterien selbst so klein halten wie es nur geht. Zum anderen stehen wir in engem Kontakt zu den Lieferanten, um hier gemeinsam den Herstellungsprozess in Richtung CO2-Reduzierung und Nachhaltigkeit zu optimieren.

Inwieweit sollte der Staat bei der Elektromobilität eingreifen?

Ein elektrischer Klein- oder Mittelklasse-Pkw kostet in klassischer Bauweise rund 6.000 bis 8.000 Euro mehr in der Herstellung als ein vergleichbares Verbrennerfahrzeug. Das sind mehr als die doppelten Herstellkosten. Selbst bei unserer kleinserienoptimierten Space-Frame-Bauweise sind es noch 3.000 bis 4.000 Euro pro Fahrzeug. Wenn dann die Betriebskosten nicht wesentlich günstiger werden, weil Parkgaragen mit Wallbox angemietet und der Strom an öffentlichen Ladesäulen zuweilen über 50 Cent pro Kilowattstunde kostet, dann fällt es vielen potenziellen Kunden natürlich schwer umzusteigen. Daher sollte der Staat den Bürgern den Umstieg auf E-Fahrzeuge durch eine erhöhte Umweltprämie und eine verstärkte Förderung der Ladeinfrastruktur erleichtern. Wir sollten damit erreichen, dass Deutschland der Leitmarkt für E-Fahrzeuge wird, um auch international die Rolle des führenden Exporteurs von E-Fahrzeugen einnehmen zu können.

Besitzer von Elektroautos bekommen Prämien, und zahlen weder Kfz-Steuer, noch Steuern für den „Kraftstoff“, wie es Nutzer von konventionellen Autos tun. Das empfinden viele als ungerecht. Wie kann man dort einen Ausgleich schaffen?

Das geht gar nicht. Verbrenner belasten die Umwelt mehr, als dafür bezahlt werden muss. Nun gibt es zwei Wege, die Lasten daraus gerechter zu verteilen. Man könnte nun die Verbrennerfahrzeuge mit einer CO2-Abgabe zusätzlich belasten, was die Kfz-Besitzer zu Recht kurzfristig als unfair empfinden würden, weil sie bei der Anschaffung damit nicht rechnen konnten. Der zweite Weg ist, Elektroautos so zu fördern, sodass deren Wirtschaftlichkeitsnachteil etwas reduziert wird.

Wir danken unserem WAC-Firmenmitglied Dekra für den bereitgestellten Content.

Mehr Informationen unter: www.dekra.de