MOBILITÄT
„OHNE ZWEIFEL EIN ECHTER PORSCHE“
Im Interview spricht Porsche-Chef Oliver Blume über den Taycan, die Chancen der Elektromobilität und die Zukunft des Unternehmens.
Herr Blume, ein Automobil, das seine Antriebsenergie nicht aus Benzin schöpft, sondern von Akkuzellen bezieht – kann das noch ein echter Porsche sein?
(lacht) Sie sind den Taycan noch nicht gefahren – sonst käme Ihnen eine solche Frage erst gar nicht in den Sinn.
Sie haben den Taycan also bereits erlebt?
Sehr oft. Testfahrten sind wesentlich im Entwicklungsprozess, um ein Produkt perfekt zu machen.
Und Ihr Eindruck?
Grandios! Ohne Zweifel ein echter Porsche. Er fährt sich in jeder Situation fantastisch. Und er steht dem 911 in nichts nach. Neben der Beschleunigung überzeugt insbesondere die Fahrdynamik. Der Taycan bringt Faszination und Emotionen in die Elektromobilität.
Was kann der Taycan, was andere nicht können?
Es gibt im Bereich der Elektrosportwagen nichts Vergleichbares.
Heißt konkret?
Fahrleistungen auf Supersportwagen-Niveau. Reproduzierbare Beschleunigung ohne Leistungsverlust. Langstreckentauglichkeit. Modernste Konnektivität. Herausragendes Design – außen wie innen. Und eine Sportlerseele, wie sie nur ein Porsche mitbringen kann.
Und welche technischen Innovationen machen den Unterschied aus?
Da gibt es viele. Der Taycan ist beispielsweise das erste Serienfahrzeug mit einer Systemspannung von 800 Volt anstatt der bei Elektroautos üblichen 400 Volt. Die Gesamtkapazität der Lithium-Ionen-Batterie beträgt 93 kWh. Somit ist das nicht einfach ein weiteres neues E-Auto und schon gar kein fahrendes Smart Device. Er ist der Porsche unter den Elektrosportwagen.
Was macht Sie da so sicher?
Jahrzehntelange Tradition und Erfahrung. Das perfekte Zusammenspiel von Rennsport und Alltagstauglichkeit. Und nicht zuletzt: unsere Rolle als Innovationstreiber von Hybrid- und Elektromotoren. Porsche hat 2013 mit dem Panamera S E-Hybrid das weltweit erste Plug-in-Hybridmodell in der Luxusklasse und mit dem 918 Spyder einen hoch innovativen Hybrid-Supersportwagen vorgestellt. Dann der Porsche 919 Hybrid – das schnellste Forschungslabor und zugleich der komplexeste Porsche-Rennwagen aller Zeiten. Mit ihm haben wir dreimal in Folge den Titel in der Sportwagen-Langstreckenweltmeisterschaft gewonnen. Der 919 Evo, eine Ausbaustufe, umfuhr die Nürburgring-Nordschleife in sensationellen 5:19,55 Minuten. Das ist schon nahezu unvorstellbar. Und übrigens: Ferdinand Porsche hat bereits Ende des 19. Jahrhunderts den elektrischen Radnabenmotor entwickelt.
All das steckt im Taycan?
Er ist die Konsequenz aus alldem.
Ihr Design-Chef Michael Mauer sagt, dass der Taycan generell auch die Architektur rein elektrisch betriebener Fahrzeuge ein Stück weit neu bestimme.
Das kann man so sagen. Für ihn und sein Team bestand die Aufgabe darin, den Taycan schon auf den ersten Blick als Porsche erkennbar zu machen, ihn jedoch von den anderen Modellen abzuheben. Das ist ganz außerordentlich gut gelungen, die Proportionen des Taycan sind Porsche-typisch und einzigartig.
Mit seiner Formensprache setzt der Taycan ein klares Zeichen für das Porsche-Design der Zukunft.
Andere Premiumhersteller starten mit einem SUV in die Ära der Elektromobilität, Porsche mit einer sportlichen Limousine. Warum?
Aus drei Gründen. Erstens steht die Marke Porsche traditionell für Sportwagen – also für eine flache Silhouette. Und mit unserem ersten rein elektrisch angetriebenen Modell wollen wir bewusst ganz nah am Markenkern bleiben – sowohl vom Fahrerlebnis her als auch optisch. Zweitens bringt die Limousine gegenüber einem SUV deutliche Aerodynamikvorteile. Das wirkt sich positiv auf die Reichweite aus. So hat der Taycan den besten cw-Wert unter unseren aktuellen Seriensportwagen. Und drittens: Die im Unterboden verbauten Batterien führen zu einem besonders niedrigen Fahrzeugschwerpunkt. Der liegt beim Taycan sogar tiefer als beim 911. Das spürt man bei der Fahrdynamik.
Traditionelle Fahrzeughersteller geraten zunehmend unter Druck: durch neue Mitbewerber, aber auch seitens der Politik. Ist Elektromobilität eher Risiko oder Chance?
Eindeutig Auftrag und Chance.
Wenn man sich Antriebsvarianten der Zukunft anschaut, die lokal CO2-frei sind, dann kommen nur drei Technologien infrage: Elektromobilität, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Porsche hat sich entschieden.
Aus gutem Grund. In der Well-to-Wheel-Betrachtung – also der gesamten Wirkungskette der Mobilität – ist ein E-Auto in etwa dreimal effizienter als ein Wasserstoff-Auto und sechsmal effizienter als ein Fahrzeug, das mit synthetischen Kraftstoffen angetrieben wird. Selbst wenn man die Batterieproduktion miteinbezieht, ist das Verhältnis immer noch eins zu zwei gegenüber dem Wasserstoff und eins zu drei gegenüber synthetischen Kraftstoffen. Mit der fortschreitenden Entwicklung von Batterien wird dieser Vorteil sogar noch größer. Für einen Sportwagenhersteller wie Porsche sind das überzeugende Argumente – ganz abgesehen von den überragenden Leistungsdaten, die sich mit einem Elektroantrieb erzielen lassen.
Echte Klimaneutralität gibt es jedoch nur dann, wenn der Strom zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen stammt.
Das ist wahr.
Stark motorisierte Sportwagen, schwere SUVs – auch Porsche wird in der Klimadebatte kritisiert. Es heißt, nur weil ein Porsche elektrisch fahre, müsse er nicht vernünftig sein.
Ohne Umschweife: Wir Autobauer stehen ganz klar in der Verantwortung, die Emissionen im Verkehr zu reduzieren. Wer langfristig nachhaltige Werte schaffen will, muss den Zusammenhang von ökonomischen Erträgen und der Wertschöpfung für Menschen und Umwelt nicht nur verstehen, er muss diesen Anspruch auch gegenüber einer zunehmend ökologisch und sozial eingestellten Gesellschaft einlösen.
Kennen Sie das Wort „Rekkeviddeangst“?
Nicht wirklich.
Es kommt aus dem Norwegischen und heißt wörtlich übersetzt „Reichweitenangst“ – das ungute Gefühl, mit leerer Batterie liegen zu bleiben. Mit Ionity, einem Joint Venture aus BMW, Daimler, Ford und dem Volkswagen Konzern mit Porsche und Audi, installieren Sie nun bis Ende 2020 in Europa rund 400 Ladeparks entlang wichtiger Hauptverkehrsachsen. Problem gebannt?
Erst mit ultraschnellen Hochleistungsladenetzen wird E-Mobilität auch auf der Langstrecke attraktiv. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag, um Elektromobilität für die Mehrheit der Bevölkerung interessant zu machen. Was die flächendeckende Ladeinfrastruktur angeht, brauchen wir aber noch mehr Engagement. Wenn die Politik es wirklich ernst mit dem Klimaschutz meint, dann muss sie schnell mutige Weichenstellungen vornehmen und dauerhaft verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wir bräuchten dringend einen globalen Aktionsplan, an dem sich alle orientieren können.
Ein Magazin schrieb: „Ausgerechnet Porsche stellt so radikal wie kaum ein anderer deutscher Fahrzeughersteller auf Elektroautos um.“
Sie erwarten nicht, dass ich widerspreche.
Stolz?
Bestätigung. Wir haben eine klare, konsequente Strategie und gehen enorm in Vorleistung. Der Taycan ist für uns der Auftakt einer Elektromobilitätsoffensive. Wir forcieren derzeit den größten Umbau unserer Firmengeschichte – bei unseren Modellreihen, in den Fabriken, in unseren Köpfen.
Was heißt das genau?
Bis 2022 investieren wir rund sechs Milliarden Euro in die E-Mobilität. Das ist für unsere Unternehmensgröße ein echtes Pfund. Dank des Taycan und des Cross Turismo entstehen in Zuffenhausen rund 1.500 neue Arbeitsplätze. Außerdem fertigen wir unsere Elektrosportwagen in Zuffenhausen komplett CO2-neutral.
Porsche ist auch aus dem Diesel ausgestiegen …
… damit wir uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren können.
Die da wären?
Beim Antrieb setzen wir auf einen Dreiklang aus optimierten Benzinern, emotionalen Plug-in-Hybriden und reinen E-Sportwagen. Das ist für etwa die nächsten zehn Jahre die richtige strategische Antwort auf den Systembruch in unserer Industrie. Damit sind wir sehr gut aufgestellt und können uns flexibel auf die unterschiedlichen Geschwindigkeiten einstellen, mit denen sich die Marktregionen weltweit in Richtung Elektromobilität entwickeln.
Welche Rolle spielt der Hybridantrieb in diesem Dreiklang?
Eine sehr wichtige – gerade beim Übergang zur Elektromobilität. Wir waren der erste Hersteller, der moderne Plug-in-Hybridantriebe in drei Premiumsegmenten gleichzeitig angeboten hat. Beim Panamera zum Beispiel ist sogar das leistungsstärkste Topmodell ein Hybrid. Unsere Kunden sind begeistert: Seit der Markteinführung wurden in Europa rund 60 Prozent aller Panamera mit Hybridantrieb ausgeliefert, in manchen Ländern lag diese Quote sogar noch höher. 2025 wird voraussichtlich jeder zweite neue Porsche einen Elektroantrieb haben.
Und danach?
Werden Elektrofahrzeuge dominieren. Verbrenner wird es weiterhin geben – in manchen Regionen sogar noch sehr viele und noch sehr lange. Doch auf längere Sicht werden elektrifizierte Antriebe die Verbrenner nach und nach zurückdrängen.
Für Porsche markiert der Taycan den Aufbruch in eine neue Ära der Mobilität.
Die Automobilindustrie wandelt sich derzeit schneller als je zuvor. In den nächsten fünf Jahren wird es mehr Veränderungen geben als in den vergangenen 50.
Deshalb sind wir auf dem Weg, unser Geschäftsmodell grundlegend zu verändern: von einem traditionellen Automobilhersteller zu einem modernen, hoch innovativen Mobilitätsanbieter.
Der Anteil der Software in einem Fahrzeug steigt rasant. Für nicht wenige ist das Auto in Zukunft ein Smartphone auf Rädern. Übertrieben?
Zumindest stellt Software einen immer größer werdenden Anteil an der Wertschöpfungskette dar. Sie bestimmt maßgeblich die Leistung und Charakteristik eines Fahrzeugs. Das müssen wir zu einer Kernkompetenz machen.
Wo bekommen Sie diese her? Man sagt, Europa verfüge nicht im notwendigen Maße über eine IT-Industrie, die in der Lage sei, diesen Transformationsprozess zu unterstützen.
Im gesamten Volkswagen Konzern arbeiten derzeit rund 5.000 Experten übergreifend an der Entwicklung von IT für Fahrzeuge. Nicht nur die Art unserer Arbeit, die Zusammensetzung unserer Belegschaft, der Workflow der Betriebe verändert sich im Zuge der Digitalisierung massiv. Die besondere Herausforderung für Porsche besteht darin, eine neue digitale Kultur aufzubauen und sie mit unserer Tradition zu verbinden, die wiederum Bestandteil unserer Markenidentität ist. Entscheidend für den weiteren Unternehmenserfolg wird sein, ob es uns gelingt, Hürden zu überwinden und agile Organisationsstrukturen und -prozesse über alle Abteilungen und Bereiche hinweg zu ermöglichen.
Und wenn Sie selber nicht weiterkommen?
Dann gehen wir eben dahin, wo die Talente sind. Wir glauben an die Chancen einer Zusammenarbeit mit digitalen Entwicklern, Start-ups und Innovationszentren auf der ganzen Welt. Deshalb bündeln wir unsere Kräfte und ermöglichen gemeinsame Arbeitsmodelle, indem wir offene Plattformen und Schnittstellen schaffen. Von dieser Innovationskraft profitieren wir und tragen zugleich unseren Teil zum Aufbau eines digitalen Ökosystems bei. Porsche öffnet sich, um andere zu beteiligen, mit ihnen zusammenzuarbeiten und gemeinsam voneinander zu lernen – egal ob mit Einzelpersonen, Start-ups oder Unternehmen.
Mehr als 20.000 Menschen in aller Welt haben sich für den Kauf eines Taycan bereits vormerken lassen, ohne das Fahrzeug je zu Gesicht bekommen zu haben.
Überwältigend, nicht wahr? Deshalb bin ich umso mehr überzeugt: Je attraktiver die Produkte sind, desto schneller wird die Elektromobilität an Akzeptanz gewinnen.
Dennoch haben Porsche-Kunden weiterhin die Wahl.
Richtig. Jeder soll das bekommen, was er sich von unserer Marke wünscht.
Für die einzelnen Modellreihen bedeutet das was?
Es gibt vier Dimensionen: Die erste ist unsere erfolgreiche „Basis“. Hier prüfen wir, in welchen Segmenten Derivate sinnvoll sind. Das Cayenne Coupé ist ein Beispiel dafür. „Image“ steht für sehr sportliche Fahrzeuge, die das Rennsport-Gen in sich tragen wie unsere GT- und RS-Modelle. In der Dimension „Lifestyle“ kombinieren wir moderne Autos mit beliebten Elementen früherer Generationen. Dafür steht etwa der 911 Speedster. Die Dimension „Zukunft“ umfasst unsere Plug-in-Hybridmodelle und reine E-Mobile wie den Taycan mit einem hohen Grad an Digitalisierung.
Die Nachfrage nach dem Taycan ist groß. Könnte man auf vorkonfigurierte Modelle zurückgreifen?
Wir bauen auch in Zukunft keine Fahrzeuge von der Stange. Jeder bekommt genau den Taycan, den er möchte.
VERBRAUCHSANGABEN
Porsche Taycan Turbo
Stromverbrauch kombiniert: 26,0 kWh/100 km;
CO2-Emission kombiniert: 0 g/km
Porsche Panamera E-Hybrid-Modelle
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 3,3–2,6 l/100 km
Stromverbrauch kombiniert: 18,1–16,0 kWh/100 km
CO2-Emission kombiniert: 76–60 g/km
Energieeffizienzklasse Deutschland: A+ · Schweiz: E–D
Porsche Cayenne Coupé
Kraftstoffverbrauch
innerorts: 11,7–11,6 l*/100 km
außerorts: 8,0–7,9 l*/100 km
kombiniert: 9,4–9,3 l*/100 km
CO2-Emission kombiniert: 215–212 g*/km
Effizienzklasse Deutschland: D · Schweiz: G
* Bandbreite in Abhängigkeit vom verwendeten Reifensatz
Porsche 911 GT3 RS
Kraftstoffverbrauch
innerorts: 19,0 l/100 km
außerorts: 9,8 l/100 km
kombiniert: 13,2 l/100 km
CO2-Emission kombiniert: 303 g/km
Effizienzklasse Deutschland: G · Schweiz: G
Porsche 911 GT2 RS
Kraftstoffverbrauch
innerorts: 18,1 l/100 km
außerorts: 8,2 l/100 km
kombiniert: 11,8 l/100 km
CO2-Emission kombiniert: 269 g/km
Effizienzklasse Deutschland: G · Schweiz: G
Porsche 911 Speedster
Kraftstoffverbrauch
innerorts: 20,6 l/100 km
außerorts: 9,9 l/100 km
kombiniert: 13,8 l/100 km
CO2-Emission kombiniert: 317 g/km
Effizienzklasse Deutschland: G · Schweiz: G
Fotos:
Christophorus