FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG
Unter Strom
Foto: ElringKlinger
WAS HABEN DIE ENERGIEWENDE UND DER WANDEL IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE GEMEINSAM?
MASTIAUX – Als EnBW können wir die Notwendigkeit strategischer Allianzen nur betonen. Wir stehen gerade bei der E-Mobilität vor einer Herausforderung, die wir nur in einer gemeinsamen Anstrengung meistern können. Nur, wenn wir die Sektoren Energie und Verkehr zusammendenken, kann jeder seinen Beitrag zu den jeweils eigenen Zielen leisten.
WOLF – Meines Erachtens funktioniert der Wandel in unserer Branche nur in enger Zusammenarbeit mit dem Energiesektor. Es führt zu nichts, wenn die Automobilindustrie nur Fahrzeuge mit alternativen Antrieben auf den Markt bringt. Die Menschen müssen die Fahrzeuge auch kaufen. Und das tun sie nur, wenn die Autos zu ihren Lebens- und Mobilitätsgewohnheiten passen – dazu gehört eine entsprechende Ladeinfrastruktur.
MASTIAUX – Zum Wandel in der Mobilität gehört auch ein besseres Verkehrsmanagement. Da können wir unsere Erfahrung im Betrieb von großen Infrastrukturen einbringen. Nur auf die Ladesäulen zu gucken, wäre zu kurz gesprungen.
WOLF – Völlig richtig, das Verkehrsmanagement wird ebenfalls ein Schlüsselfaktor sein. Aber ausreichend Strom laden zu können, und das zur richtigen Zeit, ist für den Erfolg der Elektromobilität wesentlich. Und damit sind wir bei der Kapazität der Netze und der Frage, wer für den Ausbau zahlt.
MASTIAUX – Ja, das sehen wir im Energiesektor auch. Der Kunde muss ein Grundvertrauen nicht nur in die Fahrzeugtechnik, sondern auch in die Infrastruktur haben. Doch der Aufbau einer Ladeinfrastruktur erfordert vorab hohe Investitionen, die sich momentan nicht rechnen.
WOLF – Die Automobilindustrie investiert viel. In der Elektromobilität geht es erst einmal darum, die vollelektrischen Fahrzeuge überhaupt auf die Straße zu bringen. Da geht es um völlig neue Fahrzeugkonzepte.
GILT FÜR BRENNSTOFFZELLENFAHRZEUGE UND WASSERSTOFF-INFRASTRUKTUR ÄHNLICHES?
MASTIAUX – Ich bin davon überzeugt, dass im Straßenverkehr der Zukunft neben dem Strom auch andere Energieträger wie Wasserstoff eine wesentliche Rolle spielen. Aber wenn ich die Kollegen der Automobilindustrie richtig verstehe, sind wir noch nicht an einem Punkt, wo ein Brennstoffzellenfahrzeug gegenüber dem Elektroauto wettbewerbsfähig wäre.
WOLF – Der wesentliche Vorteil der Brennstoffzellentechnik liegt darin, dass der Betankungsvorgang wie bislang bei fossilen Kraftstoffen relativ schnell durchzuführen ist. Außerdem kann man die Wasserstofftanksäulen in die bestehende Tankstelleninfrastruktur integrieren.
MASTIAUX – Wenn ich an Brennstoffzellen denke, kann ich mir zuallererst einen Einsatz im Schwerlastverkehr vorstellen, weil man dort höhere Energiedichten und Reichweiten benötigt.
WOLF – Betrachtet man die Regionen, sind asiatische Länder wie Korea und Japan weiter. Sie setzen konsequent auf die Brennstoffzellentechnologie und wollen im Jahr 2030 schon größere Flotten – auch Pkw übrigens – auf der Straße haben. Und in China hat unser Unternehmen bereits mehr als 20 Entwicklungsprojekte für Brennstoffzellenantriebe. Das hilft uns auch in Europa, eine Serienreife schneller zu erreichen.
WIE STEUERN SIE IN DIESER SITUATION IHRE INVESTITIONEN?
WOLF – Wir investieren in Technologien für neue Antriebe und knüpfen gleichzeitig an unsere Kompetenzen aus dem klassischen Geschäft an. So produzieren wir beispielsweise die Bipolarplatten für Brennstoffzellen auf den gleichen Anlagen wie die Zylinderkopfdichtungen. Und auch die Zellverbinder für Batterien in Elektroautos werden mit klassischen Verfahren der Metallverarbeitung hergestellt.
MASTIAUX – Wir alle müssen uns grundsätzlich von der Idee verabschieden, dass langfristige Sicherheit für ein bestimmtes Geschäftsmodell möglich ist. Für die Energiebranche ist das aufgrund der hohen Investitionen nicht einfach. Einen Meereswindpark zu errichten, kostet schnell zwei Milliarden Euro. Wir versuchen deshalb, im Trend richtig zu liegen und das Portfoliorisiko zu verteilen, etwa indem wir in erneuerbare Energien investieren, ins Netz sowie in neue Infrastrukturthemen, die unseren Kompetenzen entsprechen.
HAT DIE INTENSIVIERTE DISKUSSION ÜBER DEN KLIMAWANDEL DEN WANDEL IN IHREM JEWEILIGEN SEKTOR VORANGEBRACHT?
MASTIAUX – Wir machen regelmäßig Umfragen. Demnach sagt eine deutliche Mehrheit, dass der Umbau hin zu erneuerbaren Energien richtig ist. Problematisch wird es erst dann, wenn in der Nähe der Menschen etwa Windparks gebaut oder Stromtrassen verlegt werden. Dann nehmen die Widerstände zu. Aber grundsätzlich ist die Akzeptanz weiter hoch.
Wenn es nicht gelingt, den Menschen zu vermitteln, dass Transformation tatsächlich Veränderung bedeutet, können gesellschaftliche Großprojekte wie Energiewende und klimaneutrale Mobilität nicht gelingen. « Dr. Stefan Wolf, CEO der ElringKlinger AG
» Ich bin davon überzeugt, dass im Straßenverkehr der Zukunft neben dem Strom auch andere Energieträger wie Wasserstoff eine wesentliche Rolle spielen. « Dr. Frank Mastiaux, CEO der EnBW Energie Baden-Württemberg AG
WOLF – Das ist bei uns ähnlich. Angesichts des Klimawandels sind fast alle Menschen für Elektromobilität. Doch auf der persönlichen Ebene vergleichen sie die Kosten für ein Elektroauto mit denen für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
MASTIAUX – Letztlich sind wir an einem Punkt, wo die Politik eigentlich eine Art Projektplan erstellen müsste. Denn das Jahr 2050 scheint weit weg. Doch wenn wir heute nicht vom Ende gedacht einen klaren Plan vorlegen und den auch konsequent umsetzen, erreichen wir die Klima-ziele in diesem Land nicht. Auch die Zu-sammenarbeit zwischen Energie- und Autobranche muss noch deutlich intensiver und systematisierter werden.
WOLF – Da bin ich absolut Ihrer Meinung. Wir sind in einem tiefen Transformationsprozess. Wenn es nicht gelingt, den Menschen zu vermitteln, dass Transforma-tion tatsächlich Veränderung bedeutet, können gesellschaftliche Großprojekte wie Energiewende und klimaneutrale Mobilität nicht gelingen.
WAS BEDEUTET DIE TRANSFOR-MATION FÜR SIE PERSÖNLICH ALS FÜHRUNGSKRAFT?
MASTIAUX – Geschäftsmodelle wandeln sich schneller denn je. Daher wird Veränderungsfähigkeit zur strategischen Kompetenz. Eine Führungskraft kann heute nicht mehr sagen: Ich weiß, wie die Welt in zehn Jahren aussieht. Stattdessen muss sie Adaptionsfähigkeit vermitteln und dazu auffordern, permanent zu beobachten. Denn die eigenen Mitarbeiter sind die idealen Scouts für Veränderung.
WOLF – Ich habe die Erfahrung ge-macht, dass man sehr weit kommt, wenn man den Mitarbeitern die Ver änderung nicht nur beschreibt, son dern ihnen auch vermittelt, dass die Chance auf neue Auf-gaben und sichere Arbeitsplätze besteht. Mitarbeiter, die das positiv aufnehmen, entwickeln oft sehr innovative Ideen.
DURCH DAS GESPRÄCH FÜHRTE JOHANNES WINTERHAGEN.
DR. FRANK MASTIAUX
Dr. Frank Mastiaux wurde 1964 in Essen geboren. Seine berufliche Laufbahn begann der promovierte Chemiker 1993 bei der Veba Oel AG. Im Rahmen einer Auslandsstation arbeitete er bei CITGO Petroleum Corp in den USA. Nach der Fusion von Veba Oel AG und ARAL AG war er als Geschäfts-führer der ARAL Mineralöl-Vertrieb GmbH tätig. Im Anschluss an die Übernahme der Veba Oel/Aral Gruppe durch die BP p.l.c. wirkte Mastiaux in der BP-Gruppe in London in verschiedenen Management-Positionen mit, danach in verschiedenen Vorstandspositionen im E.ON Konzern. Seit 1. Oktober 2012 ist Dr. Frank Mastiaux Vorstandsvorsitzender der EnBW Energie Baden- Württemberg AG.
ElringKlinger ist seit rund 20 Jahren in der Forschung und Entwicklung von Brennstoffzellen tätig und tritt im Markt sowohl als System- als auch als Komponentenlieferant auf. Die Stacks basieren auf der PEM-Technologie und wandeln unter Verwendung von Wasserstoff und Sauerstoff chemische in elektrische Energie und Wasser um. Sie sind aufgrund ihrer hohen Leistungsdichte für mobile Anwendungen mit großer Reichweite prädestiniert. Einsatzbereiche sind dabei unter anderem Busse und Pkw, aber auch industrielle Anwendungen wie Nutzfahrzeuge und Flurförderzeuge.
Stacks von ElringKlinger zur Integration in Kundensysteme gibt es mit einer elektrischen Leistung von 2 bis 150 kW. Sie verfügen optional über hochintegrierte Endplattenmodule aus Kunststoffspritzguss. Diese stellen die Versorgung der Brennstoffzelle sicher und reduzieren durch die Übernahme von Systemfunktionalitäten mittels integrierter Peripheriekomponenten die Komplexität sowie die Kosten des Gesamtsystems.